Berlin (dpa)
Stasi-Akten: Bundesarchiv lobt Erfolgsgeschichte
Am 29. Dezember 1991 trat das Gesetz in Kraft, das den Umgang mit den Akten der ehemaligen DDR-Staatssicherheit regelt. In der Folge beantragten Millionen Menschen Einsicht in ihre Akten.
Dreißig Jahre nach Öffnung der Stasi-Akten zieht das Bundesarchiv eine positive Bilanz.
Die zuständige Vizepräsidentin Alexandra Titze sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei eine Erfolgsgeschichte, dass „Menschen der Zugang zu den oft menschenrechtswidrig gesammelten Daten der DDR-Staatssicherheit ermöglicht wird“. Der Berliner SED-Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello nannte die Öffnung der Unterlagen einen „Sieg der Revolution“.
Das Gesetz über die ehemaligen Unterlagen der DDR-Staatssicherheit war am 29. Dezember 1991 in Kraft getreten. Wenige Tage später konnte ab 2. Januar 1992 Einsicht in die Akten beantragt werden - von Betroffenen, aber auch von Journalisten, Historikern und Behörden. Bis heute wurden 7,4 Millionen Anträge gestellt, davon 3,37 Millionen zur persönlichen Akteneinsicht. Im Juni 2021 wurden die Akten von der ehemaligen Stasi-Unterlagen-Behörde ins Bundesarchiv übertragen.
Die Akteneinsicht „gibt dem Einzelnen die Chance, sein Schicksal aufzuarbeiten und der Gesellschaft die Möglichkeit, sich mit der Funktionsweise der SED-Diktatur auseinanderzusetzen“, sagte Titze. Erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen war von 1990 bis 2000 der ehemalige Bürgerrechtler Joachim Gauck, später Bundespräsident. Auch er sieht im Umgang mit den während der DDR-Wende gesicherten Stasi-Akten „gigantische Erfolge“, wie er im November sagte.
Über Enthüllungen aus den Unterlagen des DDR-Geheimdiensts gab es aber vor allem in den 1990er Jahren auch immer wieder Streit. Ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit wurden gegen ihren Willen enttarnt. Auch Familien zerstritten sich, wenn klar wurde, dass Angehörige für die Stasi gespitzelt hatten.
Der Aufarbeitungsbeauftragte Sello meinte dennoch, die Akteneinsicht habe viel zum gesellschaftlichen Frieden beigetragen. „Man konnte sehen, was wusste die Stasi, wer war daran beteiligt und wer war nicht daran beteiligt“, sagte der ehemalige Bürgerrechtler der dpa. „Das war für viele in ihrer Selbstvergewisserung ein wichtiger Aspekt.“
Er selbst habe aus seiner Stasi-Akte erfahren, dass einige in seinem Umfeld zwar der Stasi zugearbeitet, aber über ihn keine Informationen weitergegeben hätten. Allgemein habe er aus der Forschung in den Akten im Nachhinein viel über die DDR gelernt, auch über das System der Überwachung: „Was ich an perfiden Maßnahmen in den Stasi-Akten gefunden habe, das konnte ich mir nicht vorstellen.“
Zugleich sei ihm aus den Akten klar geworden, dass die Stasi eben nicht allmächtig gewesen sei. „Beim Durchblättern einer Akte für ein Forschungsvorhaben fand ich ein Flugblatt von mir von 1982 zum neuen Wehrdienstgesetz“, erzählte der 64-Jährige. „Aus der Akte ging hervor, dass die Stasi zwei Jahre lang versucht hat herauszufinden, wer dieses Flugblatt verteilt hat. Das ist ihnen nicht gelungen.“ 200 Leute seien überprüft worden. Aber alle an der Flugblattaktion beteiligten Bekannten hätten dicht gehalten.
Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR war 1950 gegründet worden. Im Wendejahr 1989 arbeiteten 91.000 hauptamtliche und 180.000 inoffizielle Mitarbeiter vor allem daran, Kritiker der SED-Herrschaft ausfindig zu machen und zu verfolgen. Bürgerrechtler verhinderten Ende 1989 und Anfang 1990, dass alle Akten vernichtet wurden. 16.000 Säcke zerrissener Papiere wurden eingelagert. Das Papier aus rund 500 Säcken wurde per Hand wieder zusammengepuzzelt, bei 23 gelang dies virtuell.
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