Berlin (dpa)
Lemke legt Eckpunkte zu natürlichem Klimaschutz vor
Wälder und Moore vertrocknen und werden selbst zur Quelle von klimaschädlichen Treibhausgasen. Dem will Umweltministerin Lemke mit umfassenden Maßnahmen entgegenwirken.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat Eckpunkte für ein Aktionsprogramm zum natürlichen Klimaschutz in Deutschland vorgestellt.
Die Pläne zielen darauf ab, natürliche Ökosysteme wie Wälder, Auen, Böden und Moore so zu schützen und wiederherzustellen, dass sie Treibhausgase binden und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dafür hat die Bundesregierung bis 2026 vier Milliarden Euro zur Verfügung. Bis Ende des Jahres soll das Aktionsprogramm mit allen Ministerien abgestimmt sein und auf den Weg gebracht werden. Hier eine Auswahl der geplanten Vorhaben.
Was natürlicher Klimaschutz ist
Natürliche Ökosysteme wie Wälder, Auen, Böden und Moore können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten - deshalb heißt es auch „natürlicher Klimaschutz“. Wenn sie intakt sind, können sie klimaschädliches Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern. Sind sie aber in ihrer Funktion gestört, können sie stattdessen zur Quelle von Treibhausgasemissionen werden. Das ist in Deutschland etwa bei Mooren und Wäldern größtenteils der Fall.
Moorschutz-Offensive und mögliche Konflikte
In Deutschland sind derzeit 92 Prozent der Moorböden entwässert und verursachen dadurch jährlich rund 53 Millionen Tonnen Treibhausgase. Der größte Teil dieser Emissionen resultiert aus landwirtschaftlich genutzten Flächen. Nach Lemkes Plänen soll Deutschland eine Nationale Moorschutzstrategie beschließen und ein Bundesprogramm „für eine flächenwirksame Wiedervernässung“ von Mooren auflegen. Die Ministerin betonte, dass sie die Landwirte, die durch mehr Moorschutz auf die Bewirtschaftung von Böden verzichten müssten, nicht allein lassen und finanziell unterstützen werde. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, äußerte sich dazu skeptisch. In einer Mitteilung forderte er am Dienstag einen „ehrlichen Umgang mit der Tragweite und der wirtschaftlichen Dimension des Themas“. Lemke hofft hier - auch wegen der Tragweite - auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. „Zusammen mit den Ländern wollen wir geeignete Flächen für Renaturierungsmaßnahmen identifizieren und den Zustand der ungenutzten und geschützten Moore verbessern“, heißt es in dem achtseitigen Eckpunktepapier.
„Heftiges Spannungsfeld“ mit möglichen Gesetzesänderungen
Geprüft werden den Angaben zufolge auch gesetzliche Änderungen, um etwa im Straßenbau bestehende Planungshemmnisse für den Naturschutz abzubauen. Lemke sprach von einem „heftigen Spannungsfeld“ zwischen Infrastrukturprojekten und der für den Klimaschutz nötigen Wiederherstellung von Natur - gerade mit Blick auf die Wiedervernässung von Mooren. „Wünschenswert wäre es selbstverständlich, dass für Straßenbau und andere Projekte keine Moore mehr in Anspruch genommen werden“, betonte Lemke.
Hochwasservorsorge durch Gewässerschutz
Kommunen sollen künftig eine Förderung erhalten, damit sie Auen renaturieren können. Das stärke nicht nur die Artenvielfalt, sondern sei auch ein Schutz vor den Folgen des Klimawandels, erklärte Lemke. Auen würden Oberflächenwasser filtern, in der Landschaft halten und auf diese Weise Dürren vorbeugen. Wenn sie intakt seien, könnten sie darüber hinaus auch vor Hochwasser schützen, indem sie einströmendes Wasser aus Flüssen zurückhalten.
Mehr Grün und weniger Grau in der Stadt
Die Natur soll nach Lemkes Willen auch in den Städten präsenter werden, Stichwort „urbaner Klimaschutz“. Dafür strebt das Ministerium an, 150 000 neue Stadtbäume zu pflanzen und das weitere Versiegeln von Flächen zu stoppen. Noch immer gingen pro Tag durchschnittlich mehr als 50 Hektar Fläche verloren, heißt es im Papier.
Holzeinschlag-Verbot für ältere Buchenwälder
Gemeinsam mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wolle sie dafür sorgen, dass Wälder künftig besser für die Folgen des Klimawandels, wie extreme Hitze, gerüstet sind, erklärte Lemke. Konkret geplant ist etwa, dass alte Buchenwälder in öffentlicher Hand künftig nicht mehr genutzt werden dürfen, um dort Holz einzuschlagen. Deutschland habe für die Buchenwälder eine besondere Schutzverantwortung, sagte Lemke. Die Größe der Fläche, die davon betroffen wäre, blieb zunächst offen.
Wildnis und Schutzgebiete
Auch Schutzgebiete sind eine wichtige Säule des natürlichen Klimaschutzes. In Deutschland sieht die Europäische Kommission noch einiges an Nachholbedarf. Erst im Dezember verklagte die Brüsseler Behörde die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof, weil Deutschland bislang zu wenig unternommen habe, um artenreiches Grünland zu schützen. „Wir werden (...) Schutzgebiete stärken und ihr Management fortentwickeln“, lautet nun das Versprechen. Vorgesehen ist etwa ein nationaler „Wiederherstellungsplan“, der mit den europäischen Zielen in Einklang steht. Auch die Sicherung von Wildnisgebieten soll stärker als bislang im Fokus stehen.
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