Förderung des Ehrenamts Landkreis Wittmund nimmt sich Leer zum Vorbild
Im Kreis Wittmund gibt es zu wenig Menschen, die sich freiwillig einbringen wollen. Im Landkreis Leer sieht das anders aus. Nun will man das Thema anders angehen.
Wittmund/Leer - „Eine sehr freundliche Dame sucht eine Einkaufshilfe, die regelmäßig mit ihr zusammen einkaufen gehen kann. Sie würde sich sehr freuen, wenn sich ein freiwilliger Helfer oder eine Helferin meldet und ihr unter die Arme greifen kann, da sie es aus gesundheitlichen Gründen nicht alleine schafft.“ Lena Busboom muss nicht lange recherchieren, bis sich eine junge ehrenamtliche Helferin gefunden hat, die der Dame beim Einkaufen helfen will. Busboom koordiniert die Einsätze der Freiwilligenagentur für Ehrenamtliche im Landkreis Leer. Die Agentur gibt es seit sechs Jahren – mittlerweile sind bei ihr mehr als 40.000 Ehrenamtliche gemeldet. Ein Erfolgsmodell, das sich der Landkreis Wittmund zum Vorbild nimmt. Er hat nun ebenfalls eine Ehrenamtsagentur eingerichtet.
„Wir haben das Ziel, das Ehrenamt im Kreisgebiet zu stärken und es (wieder) in den Fokus der Menschen im Landkreis zu rücken“, so Wittmunds Landrat Holger Heymann (SPD). Das „wieder“ steht zwar in Klammern, ist aber entscheidend: Es gibt nicht mehr genügend Menschen, die sich freiwillig einbringen wollen. Ein erster öffentlicher Aufruf im Mai 2022 an Vereine und Verbände, sich in einer neu zu gründenden Ehrenamtsagentur einzubringen, brachte mit 54 Rückmeldungen ein eher bescheidenes Ergebnis. Das sieht im Landkreis Leer ganz anders aus: „Bei uns machen rund 1300 Vereine mit“, berichtet Lena Busboom. Nun, der Landkreis ist mit 170.000 Einwohnern (Wittmund: knapp 60.000) natürlich anders aufgestellt, zudem gibt es die Agentur schon einige Jahre, aber der Kreis Wittmund hofft, dass sich mit dem Start der Ehrenamtsagentur und eines geplanten regelmäßigen Newsletters mehr Vereine und Organisationen melden, auch Einzelpersonen.
Interesse bei Babyboomern groß
Vor einigen Tagen hat der Landkreis Wittmund seine neue Ehrenamtsagentur in der früheren OLB-Filiale am Marktplatz eröffnet. „Wir sind mit dem Thema Ehrenamt bisher zu defensiv umgegangen, das soll anders werden“, sagte Heymann, der darauf verwies, dass es im Kreis Wittmund allein 114 Sportvereine gibt. Der Organisationsgrad der Bürger in Vereinen liege bei 45,82 Prozent – landesweit nur bei 31,53 Prozent. Ein großes Potenzial also, das für den ehrenamtlichen Einsatz abgeholt werden soll. Der Landkreis hat vor wenigen Jahren eine Ehrenamtskarte eingeführt. Damit können Vergünstigungen, Preisnachlässe in öffentlichen Einrichtungen und bei zahlreichen Anbietern, Sport, Kultur oder Freizeit, genutzt werden. „Diese Karten wollen wir wieder aktiv bewerben und dürfen sie durch eine Neuregelung des Landes nun auch endlich an aktive Mitglieder der Feuerwehren, Einsatzkräfte im Rettungsdienst oder im Katastrophenschutz herausgeben. Das war bisher nicht möglich“, berichtete der Landrat.
Geleitet wird die neue Ehrenamtsagentur von Jan-Hermann Becker; Ansprechpartnerin im Büro ist Mirjam Möllmann. Die Diplom-Soziologin aus Esens hat erste Kontakte mit Vereinen, Organisationen wie Feuerwehren geknüpft, besuchte bereits viele Veranstaltungen. Das Interesse am Ehrenamt sei groß, besonders bei Menschen aus der „Babyboomer-Generation“, also bei Menschen, die jetzt oder bald in Rente gehen und sich ehrenamtlich engagieren wollen. „Es gibt auch viele Nachfragen von Zugezogenen, etwa aus Nordrhein-Westfalen, die sich hier einbringen wollen“, berichtet Mirjam Möllmann, die ihre ersten Erfahrungen in der Ehrenamtsarbeit übrigens beim Landkreis Leer sammelte.
Tool soll helfen, das richtige Angebot zu finden
Auf der Homepage der neuen Agentur ist das Programm „Freinet“ eingebunden. Damit können Vereine und Organisationen ihren Bedarf an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern anmelden. Überdies können sich Bürger, die ein Ehrenamt übernehmen wollen, mit ihren Interessensgebieten eintragen. Dann gleicht ein Tool den Verein/die Organisation und den potenziellen Ehrenamtlichen ab und es kann eine Verbindung hergestellt werden – ähnlich wie bei Datingpools. Es kann aber auch eine Tätigkeit direkt herausgesucht werden. Zudem soll es das Projekt „Mitwirk-O-Mat“ geben. Dort können sich Vereine und Organisationen vorstellen. Personen, die gerne einem Verein beitreten möchten, aber noch nicht wissen, welchem, können hier das Richtige finden. Das Tool stellt 16 bis 20 Fragen und erkennt aus den Antworten, welcher Verein passen könnte. Auch Schulungen, etwa für die Vorstandsarbeit oder zu Datenschutzaspekten, will die Agentur anbieten, ebenso Hilfe bei der Beantragung von Projekt- und Fördermitteln sowie bei der Umsetzung konkreter Vorhaben.
In dem ehemaligen OLB-Gebäude, das zwischenzeitlich auch als Corona-Testzentrum des Landkreises genutzt wurde, sind auch die Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe und der Senioren- und Pflegestützpunkt untergebracht – ein Zentrum, das alle Ehrenamtlichen und diejenigen, die es werden wollen, aus allen Nationen und unterschiedlichen Altersgruppen zusammenbringen will. Mirjam Möllmann kann sich auch vorstellen, dass es im Kreis Wittmund bald so etwas gibt wie das Projekt „Löppt mitnanner“ im Landkreis Leer. Es fördert junges ehrenamtliches Engagement. Partner sind unter anderem Vereine und Schulen. Lena Busboom: „Wir können nicht feststellen, dass junge Leute heutzutage Teil einer ,Null-Bock-Generation‘ sind. Wir sind ein Land des Ehrenamts, aber wir müssen den Ehrenamtlichen an die Hand gehen; Fortbildungen anbieten, Netzwerke knüpfen; motivieren. Bei uns sind alle Altersgruppen dabei.“ So soll es auch in Wittmund kommen. Die beiden Landkreise stehen beim Thema Ehrenamt bereits im regen Austausch.