Dortmund (dpa)
Vorweihnachtliches Beben beim BVB: Aus für Trainer Favre
Die Mission von Lucien Favre beim BVB ist zu Ende. Mit dem 1:5-Desaster gegen Stuttgart verlor der Fußball-Lehrer endgültig das Vertrauen der Vereinsbosse. Nun beginnt die knifflige Suche nach einem Nachfolger. Vorerst soll es Assistent Edin Terzic richten.
Zu Beginn seiner Amtszeit als Bessermacher gefeiert, am Ende als Zauderer vertrieben - die Trennung von Lucien Favre hat bei Borussia Dortmund für ein vorweihnachtliches Beben gesorgt.
Keine 24 Stunden nach dem 1:5-Debakel gegen den VfB Stuttgart zog der Revierclub die Konsequenzen und beendete die eigentlich vertraglich bis Sommer 2021 vereinbarte Zusammenarbeit mit dem 63 Jahre alten Schweizer vorzeitig.
Der Fußball-Lehrer machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. „Ich finde es schade, dass sich unsere Wege hier trennen. Wir hatten zwei erfolgreiche Jahre und haben eine Mannschaft, die auch in diesem Jahr am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt hätte. Davon bin ich nach wie vor überzeugt“, sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Sein bisheriger Assistent Edin Terzic soll zunächst bis Saisonende übernehmen und schon am Dienstag im Spiel bei Werder Bremen Regie führen. Der bisherige U17-Trainer Sebastian Geppert und Top-Talente-Coach Otto Addo werden ihm assistieren.
Angesichts der anhaltenden Talfahrt mit zuletzt drei Heimniederlagen in Serie sah sich die Vereinsspitze zu diesem Schritt gezwungen. Der desolate Auftritt gegen den VfB kostete Favre den letzten Rest Vertrauen. Die Sorge um das Verpassen der gerade in Corona-Zeiten eminent wichtigen Champions-League-Qualifikation wurde zu groß. „Es fällt uns schwer, diesen Schritt zu gehen. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Erreichen unserer Saisonziele aufgrund der zuletzt negativen Entwicklung in der gegenwärtigen Konstellation stark gefährdet ist und wir deshalb handeln müssen“, sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc.
Das krachende 1:5 gegen Aufsteiger Stuttgart, mit dem das noch vor wenigen Wochen hochgehandelte Team vorerst Abschied aus dem Titelrennen nahm, hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wenige Stunden nach der Partie als „schwarzen Tag“ bezeichnet und eine umgehende Analyse angekündigt. Nicht der Favorit aus Dortmund, sondern der freche Underdog aus Stuttgart bot ein Spektakel und führte den BVB mit hohem Tempo, großer Laufbereitschaft und leidenschaftlicher Zweikampfführung phasenweise vor.
Dass die Borussia auch schon in den beiden vorherigen Bundesliga-Partien gegen Köln (1:2) und Frankfurt (1:1) geschwächelt hatte, wurde intern als weiteres Indiz für ein gestörtes Verhältnis zwischen Trainer und Team gewertet. Gleichwohl würdigte Vereinschef Hans-Joachim Watzke die Verdienste des Schweizers: „Wir alle sind Lucien Favre dankbar für seine hervorragende Arbeit in den vergangenen zweieinhalb Jahren, in denen er mit seinem Team zwei Vizemeisterschaften errungen hat. Als Fachmann und als Mensch ist Lucien Favre über jeden Zweifel erhaben.“
Vor allem der erfolgreiche Umgang von Favre mit jungen Spielern wird beim BVB in guter Erinnerung bleiben. So verhalf er Jungstars wie Jadon Sancho und Giovanni Reyna zum Durchbruch. Zudem führte er den Club dreimal in Serie in das Achtelfinale der Champions League.
Mit der Interimslösung Terzic gewinnt der BVB bei der nun anstehenden Trainersuche Zeit. Einfach wird das nicht: Nach der langen Erfolgsära von Jürgen Klopp (2008 bis 2015) wurden in Thomas Tuchel, Peter Bosz, Peter Stöger und Favre bereits vier Fußball-Lehrer verschlissen.
Dabei hatte die Zusammenarbeit mit Favre verheißungsvoll begonnen. In der Hinrunde 2018/19 führte er den BVB zur souveränen Herbstmeisterschaft und bestätigte seinen Ruf als Bessermacher und akribischer Arbeiter. Aber mit der weniger starken Rückrunde, in der die Borussia einen zwischenzeitlichen Neun-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern noch verspielte und sich am Ende mit Rang zwei begnügen musste, kamen in Dortmund erstmals Zweifel am ehemaligen Trainer von Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach auf.
Seither gab es wiederholt Schlagzeilen über ein fehlendes Titel-Gen des Trainers und seine fehlende Motivationsfähigkeit. Dass der Coach zudem wiederholt mit den ambitionierten Zielen der Vereinsführung fremdelte, passte ins Bild eines Zauderers.
Ein neuer Coach soll helfen, das große Potenzial der Mannschaft abzurufen. Als mögliche Wunschkandidaten gelten Julian Nagelsmann und Marco Rose. Doch sowohl der Leipziger als auch der Mönchengladbacher Coach stehen bei ihren Clubs über den Sommer hinaus unter Vertrag.
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