Was Sie heute wissen sollten
Flügel-AfD | Donnerzüge in Apen | Heimatverbundenheit
Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.
gestern Abend wurde es spät mit diesem Newsletter. Wer mag es mir verdenken, dass ich diesen wunderbaren Sommerabend mit einem sehr inspirierenden Hamburger Kollegen in einem Restaurant an der Nesse in Leer verbrachte? Es wurde später und später, und das Schreiben des Newsletters drängender und drängender. Schließlich startet heute der Redaktionstag zeitig mit der Wochenkonferenz, in der die Themenplanung für die nächsten zehn Tage diskutiert wird.
Auch Ostfriesland-Reporter Andreas Ellinger hatte sein Tagwerk noch nicht beendet (ok, er ist nicht gerade ein Frühaufsteher). Gestern bewies er wieder mal seine Zähigkeit im Umgang mit schwierigen „Kunden“, in diesem Fall der AfD Ostfriesland. Dieses komische Parteikonstrukt mit einem Vorsitzenden, der rein rechtlich gar kein Vorsitzender ist, und nun noch ein spezielles Extremistenproblem hat - oder sollen wir flachsen in die Flügelfalle getappt ist? Der Schatzmeisterin des AfD-Kreisverbands Ostfriesland, Julia Pilger aus Norden, drohen womöglich „Parteiordnungsmaßnahmen“ des AfD-Bundesvorstandes. Sie soll sich am 20. Februar an einer Versammlung von AfD-Politikern in Verden beteiligt haben, bei der es um eine Wiederbelebung des „rechtsextremen Flügels“ gegangen sein soll. Fakt ist jedenfalls, Pilger ist bekennender Fan des berüchtigten Björn Höcke.
Hartnäckigkeit ist neben Neugierde und Kritikfähigkeit die wichtigste Eigenschaft guter Journalisten. Hartnäckig wie Ellinger ist auch Katja Mielcarek, Reporterin der Lokalredaktion Leer: Seit Monaten schon piesackt sie die Deutsche Bahn im Interesse der Leser, die wegen der „Donnerzüge“ auch mal nachts aus dem Bett fallen. Während die Betroffenen in Leer angesichts der Sprachlosigkeit des Staatskonzerns Bahn kurz vor der Selbsthilfe stehen, wurde nun bekannt, dass auch Anwohner in Apen unter Vibrationen von durchfahrenden Güterzügen leiden. „Das Rütteln im Bett war so stark, dass ich am Anfang gedacht habe, meine Katzen stupsen mich an“, berichtete Anwohner Marcus Lampen. Es wird Zeit, dass die ostfriesischen Bundestagsabgeordneten endlich Druck auf die Bahn ausüben. Bis jetzt passiert da nichts Konkretes. Wann sind eigentlich Wahlen?
Apropos Wahlen, nicht Bundestag, sondern Bürgermeister in Leer: Claus-Peter Horst, parteifreier Bewerber, der von der SPD gestützt wird, ist jetzt ein PR-Coup gelungen. In einem kurzen Video, gedreht an der Hafenpromenade, sagt Ministerpräsident Stephan Weil den Satz: „Claus-Peter Horst, den kann ich empfehlen.“ Ob das Amtsinhaberin Beatrix Kuhl auch noch hinbekommt? Angela Merkel oder Armin Laschet oder vielleicht auch nur Bernd Althusmann? Warten wir es ab, es sind ja noch gut drei Monate.
Bleiben wir bei der Landesregierung. Die hat gestern verkündet, mit einem Sofortprogramm 117 Millionen Euro Coronahilfen zur Belebung der durch Corona angeschlagenen Innenstädte auszugeben. Verteilt wird das Geld nach Einwohnerzahl. Emden zum Beispiel bekommt 1,2 Millionen Euro. Nun muss das Geld auch sinnvoll ausgegeben werden. Zur Stärkung des Einzelhandels, der in Emden zu 85 Prozent am Stadtrand situiert ist. Daran sieht Johann Doden, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Ostfriesland, auch ein großes Problem. Es müsse um einen „Neustart des Einzelhandels“ gehen, sagt er im Gespräch mit Ostfriesland-Reporter Daniel Noglik.
Die Emder sind aber auch so ein besonderes Völkchen: Mehrere Rentner wurden vor ein paar Monaten dabei erwischt, wie sich im Stadtgarten zusammensaßen und weder den Mindestabstand einhielten noch eine Maske trugen. Zwei der Betroffenen, zwei Herren im Alter von 68 und 73, sehen das allerdings ganz anders. Sie behaupten, sich sehr wohl an die Regeln gehalten zu haben und weigern sich, das Bußgeld zu bezahlen. Das Verfahren läuft, die Kosten steigen, und die Stadt will sich nicht äußern. Heiko Müller, Reporter-Urgestein in Emden, erzählt die Geschichte. Was fehlt, ist der Hinweis, dass die Leeraner Donnerzug-Opfer die beiden Senioren vielleicht mal einladen sollten, um zivilen Widerstand zu lernen.
Müllers Emder Kollegin Mona Hanssen ist - der Name weist das aus - auch eine waschechte Ostfriesin. Und sie ist stolz darauf. Jedes Jahr erscheinen bis zu 120 Bücher mit Bezug zu unserer Region. Das dürfte einzigartig sein für eine deutsche Region. Warum ist das so? Paul Weßels zum Beispiel erklärt das mit der „uralten Tradition“, mehr über die eigene Geschichte und Heimat herauszufinden. In Ostfriesland gebe es zahlreiche Dorfchronisten und auch Ahnenforscher. Nicht nur Einheimische, auch Touristen seien stark interessiert, berichten Leiterinnen von örtlichen Büchereien. Aber schauen Sie einfach selber mal in Ihren Bücherschrank: Vielleicht sind sie erstaunt, wie viel Bücher über und aus Ostfriesland dort stehen. Heimatverbundenheit ist in unserer globalisierten Welt eben eine besondere Qualität, wie Hartnäckigkeit für Journalisten.
Was heute wichtig wird:
- Bei einem Brand am vergangenen Wochenende in Aurich berichtete die Feuerwehr, dass die Löscharbeiten durch nachträglich eingebrachte Dämmmaterialien erschwert worden seien. Wie gefährlich sind die Stoffe im Ernstfall? Marion Luppen berichtet.
- 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland: In Emden steht dieses Jahr vieles im Zeichen dieses Jubiläums. Welche Aktionen sind geplant? Wie wichtig ist das derzeit besonders? Mona Hanssen hat nachgefragt.
- Die Selbstpflück-Saison startet: Am Wochenende öffnen die ersten Erdbeerfelder in Ostfriesland. Heiko Müller hat sich schon vor dem offiziellen Start auf einem Erdbeerfeld umgesehen und probegepflückt.
- Zwei erfolgreiche Reiseblogger und -podcaster machen jetzt in Ostfriesland Halt. Michael Hillebrand hat mit ihnen über Reisen in Corona-Zeiten, Podcasts und die Krummhörn und die Küstenregion gesprochen.
Wenn Sie diesen Nachrichtenüberblick jeden Morgen bequem per E-Mail zugestellt bekommen möchten, dann abonnieren Sie doch einfach unseren Newsletter.