Aktion „Lass mal reden“
„Ein bisschen fühlt man sich als Mensch zweiter Klasse“

Wir haben junge Menschen gefragt, was sie nach gut einem Jahr Pandemie empfinden. Sie haben zahlreich und präzise geantwortet, voller Verständnis und Hoffnung, aber auch mit Verbitterung und Wut.
Was und warum
Darum geht es: Erst galten sie als mögliche Pandemietreiber, dann als egoistische Partyhungrige. Doch was es wirklich für junge Menschen bedeutet, während einer Pandemie erwachsen zu werden, wurden sie nach eigenen Angaben nie gefragt.
Vor allem interessant für: Alle, die wissen wollen, was Jugendlichen und jungen Menschen in der Corona-Pandemie Sorgen bereitet, woraus sie Hoffnung schöpfen und was sie vom Rest der Gesellschaft fordern.
Deshalb berichten wir: Anfang März riefen wir jungen Menschen zum ersten Mal zu: „Ein Jahr Corona – Lass mal reden!“ Im zweiten Aufruf Anfang Juni erreichten uns viele Stimmen, auch von ostfriesischen jungen Menschen, deren Ansichten wir gerne abbilden wollen. Die Autorin erreichen Sie unter: s.heyn@zgo.de
Die Antworten kamen prompt – und präzise. Schüler und Studierende, Auszubildende und Berufsanfänger: Sie sind zumeist wütend, sie sind politisiert, sie verbünden sich mit anderen jungen Leuten und sie wollen, dass sich etwas ändert. Sie sprechen von verlorenen Jugendjahren, verpassten Studienerfahrungen und erschwerten Berufseinstiegen. Unter den Einsendungen sind nachdenkliche Worte über soziale Vereinsamung und depressive Gefühle, politische Analysen über die langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen sowie flammende Appelle, die jungen Menschen doch bitte endlich ernstzunehmen.
Die jungen Menschen verweisen auf die kommenden Wahlen
Mit unserer Frage nach Gerechtigkeit haben wir, die OZ, der NDR, Der Spiegel und das Hamburger Abendblatt, bei den jungen Menschen offensichtlich einen Nerv getroffen. Sie äußern vielfach Verständnis. Für politische Entscheidungen über geschlossene Schulen, für den Grundsatz, die Verwundbarsten zu schützen und zuerst zu impfen, für Erleichterungen für Geimpfte. Aber: Solidarität, daran erinnern einige Teilnehmer, sei keine „Einbahnstraße“.
Vor allem von politischen Entscheidungsträgern, aber auch von Medienunternehmen wie uns, fühlen sich die jungen Menschen, die uns geschrieben haben, vergessen, wenn nicht sogar ignoriert. Sie fordern, gehört zu werden, insbesondere in den Bereichen, die sie unmittelbar betreffen. Und zwar nicht, weil sie endlich wieder Party machen wollen (auch wenn das mitunter dazu gehört). Sondern weil sie sich eine praxisnahe Ausbildung in der Firma, intellektuellen Austausch an der Universität oder eine ruhige Lernatmosphäre in der Schule wünschen. Und weil sie für sich Solidarität vonseiten der restlichen Gesellschaft, einen gleichberechtigten Platz im Denken von Politikerinnen und Politikern einfordern. Aus ihren Nachrichten spricht außerdem oft die Sorge um ökonomische Nachteile. Kaum verwunderlich, dass viele auch auf die kommenden Bundestagswahlen verweisen und ankündigen, ihre Unzufriedenheit dann mit einem Kreuz auf dem Wahlzettel auszudrücken.
Wir können bei weitem nicht alle Emails und Textnachrichten veröffentlichen, die uns erreicht haben. Aber die folgende Auswahl zum Teil gekürzter Antworten vermittelt ein Bild von den kollektiven und individuellen Gefühlen junger Menschen in der Corona-Pandemie.