Yangon (dpa)
Myanmars Militärführung will Neuwahlen erst 2023
Seit einem halben Jahr gehen die Menschen in Myanmar gegen die Putschisten auf die Straße und riskieren dabei ihr Leben. Doch die Generäle wollen erstmal weiterregieren.
Nach dem Putsch des Militärs in Myanmar soll es in dem südostasiatischen Land erst im August 2023 Neuwahlen geben. Juntachef Min Aung Hlaing kündigte in einer langen Fernsehansprache am Sonntag an, dass der Ausnahmezustand bis dahin verlängert werde.
Die Junta teilte außerdem mit, dass Min Aung Hlaing zum Premierminister einer „Übergangsregierung“ ernannt wurde. Das Militär hatte genau ein halbes Jahr zuvor, am 1. Februar dieses Jahres, die Macht ergriffen. Der Ausnahmezustand sollte zunächst ein Jahr dauern, wurde dann auf zwei und nun auf zweieinhalb Jahre verlängert.
In seiner 51 Minuten dauernden Rede erneuerte der Juntachef seine Vorwürfe gegen die gestürzte Regierung. Er warf Aung San Suu Kyi Machtmissbrauch vor und behauptete, die Parlamentswahl vom November 2020 sei manipuliert worden.
Proteste in Myanmar gehen weiter
In den Städten Mandalay und Yangon gingen trotz Corona-Welle in dem Land auch wieder Demonstranten auf die Straßen, wie örtliche Medien berichteten. Seit dem Coup versinkt das frühere Birma in Chaos und Gewalt. „Die Menschen müssen sich der Misshandlung durch (Juntachef) Min Aung Hlaing und der Misshandlung durch Covid-19 stellen“, sagte Lin Aung Khant aus Yangon der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe keine Zukunft, sagte der Mann, der freiwillig Menschen in seiner Gemeinde hilft. „Einige haben nichts zu essen.“
Myanmars Generäle hatten vor genau sechs Monaten geputscht und die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt. Dem Militär, das sich nach Jahrzehnten an der Macht per Verfassung von 2008 deutliches Mitspracherecht in Parlament und Regierung erhalten hatte, soll die zur Ikone gewordene Regierungschefin immer gefährlicher geworden sein. Der Widerstand aus der Bevölkerung, die die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung fordert, wird von der Junta mit brutaler Härte unterdrückt. Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden bisher mehr als 930 Menschen getötet. Fast 7000 wurden festgenommen.
Das Ergebnis der Parlamentswahl vom November 2020 erklärte das Militär offiziell für ungültig. Suu Kyi, die seit dem Putsch erneut im Hausarrest sitzt, hatte die Wahl mit ihrer Partei „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) klar gewonnen. Die Generäle hatten das Resultat aber angezweifelt und angeblichen Betrug als Grund für den Putsch genannt. Die Junta versprach, innerhalb von zwei Jahren Wahlen durchzuführen.
Derweil werden Suu Kyi ein halbes Dutzend Vergehen vorgeworfen. Beobachter und Menschenrechtsexperten vermuten, dass die Junta die Politikerin durch die Verfahren langfristig zum Schweigen bringen will. Die 76-Jährige stand schon einmal insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstandskampfes. Die Bevölkerung setzt unterdessen ihren Widerstand gegen die Junta bei landesweiten Protesten fort. Viele junge Menschen gingen in den Dschungel, um an einer militärischen Ausbildung bewaffneter Gruppen teilzunehmen. Zwischen Militär und Widerstandskämpfern kam es zu Gefechten.
Die Vereinten Nationen schrieben, dass sich die wirtschaftliche und soziale Situation sowie die Sicherheitslage in Myanmar in den vergangenen sechs Monaten deutlich verschlechtert hätten. Sie erinnerten zugleich an den bewaffneten Widerstand gegen die Junta in verschiedenen von ethnischen Minderheiten bewohnten Regionen. Insgesamt seien seit 1. Februar mehr als 220 000 Menschen in Myanmar wegen Konflikten und Unsicherheit heimatlos geworden.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf den Machthabern in Myanmar Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Dazu zählten Mord, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, Vergewaltigung und andere Form von sexueller Gewalt, hieß es in einer Stellungnahme vom Samstag. „Diese Angriffe kommen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich, für die die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden sollte“, erklärte der HRW-Asiendirektor Brad Adams. Die Organisation rief ausländische Regierungen dazu auf, die Gasimporte aus dem südostasiatischen Land zu reduzieren und die Junta von ihrer wichtigsten Devisenquelle abzuschneiden.
Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen sieht einer Mitteilung zufolge durch den Putsch das Ende der Medienfreiheit in dem Land besiegelt. Das Militär entzog mindestens acht Medienorganisationen die Lizenz. Dutzende Journalisten sollen festgenommen worden sein. Darunter auch Reporter, die vom Widerstand gegen die Junta berichteten.
Myanmar leidet zudem unter einer schweren Corona-Welle. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums unter Führung der Junta werden täglich Tausende positive Fälle und Hunderte Tote im Zusammenhang mit dem Virus registriert. Die Zahlen dürften noch höher liegen, da sich viele Bürger aus Angst vor dem Militär weder testen noch in staatlichen Krankenhäusern behandeln lassen. „Covid-19 ist überall und die Menschen sterben in ihren Häusern“, sagte Lin Aung Khant.
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