Kiel (dpa)
Gut ein Jahr Bewährungsstrafe für Panzer-Eigentümer
Ein Waffensammler hortet einen Wehrmachtspanzer im Keller seiner Villa. Doch dann wird die Justiz darauf aufmerksam. Das juristische Gezerre dauert sechs Jahre. Nun hat das Gericht sein Urteil gesprochen.
Die Bilder der Durchsuchung einer Villa an der Kieler Förde sind 2015 um die Welt gegangen. Neun Stunden benötigten Pioniere der Bundeswehr, einen knapp 40 Tonnen schweren Weltkriegspanzer vom Typ „Panther“ mit Bergungspanzern sicherzustellen.
Es folgte ein sechsjähriges juristisches Gezerre. Am Dienstag hat das Kieler Landgericht den 84 Jahre alten Eigentümer zu einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt - wegen unerlaubten Besitzes von Waffen, Munition und Sprengstoff.
Wegen rechtswidriger Verfahrensdauer gelten vier Monate davon als verbüßt. Der Angeklagte muss 250 000 Euro zahlen. Davon sollen bis Ende August 2022 das Schmerz- und Palliativzentrum der Kieler Uniklinik und die SOS-Kinderdörfer je 70 000 Euro erhalten, ein Kieler Tierheim 60 000 Euro und die Staatskasse bis Jahresende 50 000 Euro.
Der Angeklagte habe nicht in böser Absicht gehandelt, sondern als Sammler, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Worpenberg in der Urteilsbegründung. Er sei „nicht rumgelaufen und hat geschossen“. Als strafmildernd wertete die Kammer das hohe Lebensalter, fehlende Vorstrafen und das Geständnis. Gegen einen minderschweren Fall sprachen das Auffinden vieler Waffen und Munition im Anwesen des Angeklagten.
Seinen Panzer und auch die Waffen bekommt der 84-Jährige nicht zurück. Kammer, Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben vor dem Urteil eine Verständigung erzielt. Der Angeklagte muss den Panzer und eine Flugabwehrkanone vom Kaliber 8,8 Zentimeter binnen zwei Jahren an ein geeignetes Museum beziehungsweise einen Sammler verkaufen. Laut Verteidigung haben an dem Panzer ein Museum aus Seattle und an der Flak ein Sammler aus Nordrhein-Westfalen Interesse.
Verzichtet hat der Angeklagte auf eine Entschädigung, etwaiges Schmerzensgeld sowie die Rückgabe von Waffen und Munition. Bei der Durchsuchung wurden neben Panzer und Flak ein Torpedo, ein Mörser sowie Maschinen- und Sturmgewehre, halb- und vollautomatische Pistolen und mehr als 1000 Schuss Munition sichergestellt. Dabei entstanden an Haus und Panzer Schäden.
Verteidiger Gerald Goecke verwies in seinem Plädoyer auf die „bis dahin untadelige Lebensführung“ des ehemaligen Finanzvermittlers. Jahrelang habe über ihm ein Strafverfahren als Damoklesschwert geschwebt, die Ermittlungen hätten wirtschaftliche Folgen gehabt. Er sprach von einer immensen Belastung. Das Kriegsgerät sei in dem Anwesen „sicher vor dem Zugriff unbefugter Dritter“ gewesen. Der Besitz habe ausschließlich „militärhistorischen Sammlungszwecken“ gedient. Der Anwalt lobte, die Kammer habe die mediale Begleitung außer Acht gelassen und sich am Tatvorwurf orientiert. Er habe keinen Grund, sich über den Ausgang nicht zu freuen. „Ich bin zufrieden damit.“
Im Kern ging es darum, ob Panzer und Flak unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen und somit nicht im Privatbesitz sein dürfen. Auf Basis mehrerer Gutachten hielt die Kammer im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft jedoch nur die Flak möglicherweise für eine Kriegswaffe. Der Panzer sei laut Gutachter nicht mehr zum Einsatz in einem militärischen Konflikt geeignet, sagte Richter Worpenberg. Er diene musealen Zwecken. Verurteilt wurde der 84-Jährige letztlich nur im Fall eines Maschinengewehr-Laufs und zweier Patronen wegen Besitzes einer Kriegswaffe.
Folglich trägt die Staatskasse die Kosten für Bergung und jahrelange Unterbringung des Panzers und anderer Großgeräte. Staatsanwalt Thorsten Wolke geht davon aus, dass die der Landeskasse zugesprochenen 50 000 Euro dafür reichen. „Mehr wird das nicht gewesen sein.“ Die Bundeswehr sei im Sommer 2015 in Amtshilfe dabei gewesen. In seinem Plädoyer hatte Wolke ein Jahr und vier Monate gefordert. „Im Ergebnis bin ich mit dem Urteil zufrieden.“
Auf die Spur des Waffensammlers waren Behörden im Zuge von Ermittlungen um wieder aufgetauchte Nazi-Kunst gestoßen. Ein Polizist berichtete, wie er im Mai 2015 bei einer Durchsuchung nach Einschalten des Lichts seinen Augen nicht traute. An der Wand hingen beleuchtete SS-Runen und im Keller stand ein Wehrmachtspanzer. Der Beamte nahm Kontakt mit Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft auf. Wochen später kam es schließlich zu der spektakulären Durchsuchung.
Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden.
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