Brasília (dpa)

Bolsonaros Wahlreform gescheitert - Präsident sät Zweifel

| 11.08.2021 09:28 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Eine umstrittene Reform des brasilianischen Wahlsystems ist im Parlament gescheitert. Dennoch sät Präsident Jair Bolsonaro im Stile Trumps weiter Zweifel.

Nur Stunden nach dem Scheitern seiner geplanten Wahlreform hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro erneut Zweifel am System der Stimmabgabe gesät und den Obersten Wahlgerichtshof des Landes kritisiert.

Von 450 Abgeordneten hätten 229 für die Reform gestimmt und nur 218 dagegen, sagte Bolsonaro zu Anhängern, wie die Zeitung „Folha de S. Paulo“ am Mittwoch berichtete. „Es ist ein Zeichen dafür, dass die Hälfte nicht zu 100 Prozent an die reibungslose Arbeit des (Wahlgerichtshofs) TSE glaubt.“ Die Gründe dafür meint der rechtsgerichtete Staatschef zu kennen: „Sie glauben nicht, dass man dem Endergebnis (der Wahl) trauen kann.“

In der brasilianischen Abgeordnetenkammer war die von Bolsonaro befürwortete Wahlreform am Dienstagabend gescheitert, die mindestens 308 nötigen Ja-Stimmen kamen nicht zustande. Entscheidend dafür waren auch führende Mitglieder des „Centrão“ - einer Ansammlung kleiner und kleinster Parteien, die sich häufig im Gegenzug für politische Unterstützung Ämter und Posten sichern. Bolsonaro hatte vergangene Woche einen Politiker des „Centrão“ zum Stabschef ernannt.

Zuvor Einschüchterungsversuch?

Nur Stunden vor der Abstimmung war am Mittwoch ein Militärkonvoi mit Dutzenden Fahrzeugen unter anderem am Präsidentenpalast und am Kongress vorbeigefahren - was Beobachter als Einschüchterungsversuch der Regierung angesichts der drohenden Abstimmungsniederlage werteten.

Kern der gescheiterten Reform war eine Verfassungsänderung, die die Ergänzung der elektronischen Wahlmaschinen mit gedruckten Wahlscheinen vorsah. Das Wahlsystem in Brasilien - mit 210 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas - ist vollständig elektronisch.

Seit den Präsidentschaftswahlen 2018 sät Bolsonaro immer wieder Zweifel an der Verlässlichkeit des Wahlsystems. Wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump warnt auch er ohne Belege vor einer möglichen Manipulation. Bolsonaro fordert, dass die Stimmabgabe auch auf einem Ausdruck festgehalten werden müsse, andernfalls werde er das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2022 möglicherweise nicht anerkennen. Erst am Montag hatte ein ranghoher US-Regierungsvertreter nach einem Ortsbesuch in Brasília betont, wie wichtig es sei, das Vertrauen in den Wahlprozess nicht zu untergraben, „zumal es bei früheren Wahlen keine Anzeichen für Betrug gab“.

Experten hatten bereits erwartet, dass Bolsonaro bei dem Thema trotz der Entscheidung des TSE weiter insistieren und es möglicherweise zu einem seiner Wahlkampfthemen machen wird - auch weil es ihm zuletzt dabei nutzte, von anderen Themen wie einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Versäumnissen in der Corona-Pandemie abzulenken.

Bolsonaro im Visier des Obersten Gerichtshofs

Nach den wiederholten Attacken hatte der Oberste Gerichtshof Brasiliens Bolsonaro zuletzt ins Visier genommen und in die bereits laufenden Ermittlungen zur Verbreitung von Fake News eingeschlossen. Politischen Analysten zufolge diente der Vorstoß des Präsidenten dazu, angesichts schlechter Umfragewerte seine Anhänger zu mobilisieren.

Der ungewöhnliche Militärkonvoi war nach Angaben der Marine lange geplant gewesen. Bolsonaro, selbst Hauptmann der Reserve, war Medienberichten zufolge eine Einladung zu einer Militärübung überreicht worden.

Der deutsche Politikwissenschaftler und Militärexperte Kai Michael Kenkel von der „Pontifícia Universidade Católica do Rio de Janeiro“ (PUC) sagte der Deutschen Presse-Agentur dazu, es sei aus seiner Sicht der Versuch gewesen, Macht zu demonstrieren. „Die Frage ist nur: Ist die Order von Bolsonaro gekommen oder nicht?“ Solche Konvois habe es in den Vorjahren nicht gegeben. „Und diese ganzen Fahrzeuge waren schon angekommen am Ort des Trainings - und sind zurückgefahren nach Brasília“. Brasília ist die Hauptstadt des Landes, wo sich der Sitz des Parlaments und der Präsidentenpalast befinden.

Die Zustimmung zu Bolsonaros Amtsführung ist im Laufe der Corona-Pandemie immer weiter gesunken. Anfang Juli lehnten 51 Prozent der Befragten die Politik des Präsidenten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha ab. Das war das schlechteste Ergebnis seit Bolsonaros Amtsantritt 2019.

© dpa-infocom, dpa:210811-99-800781/3

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