Hilfe für die Flutopfer
Das zweite Leben der Schlammautos
Tausende Fahrzeuge sind nach der zerstörerischen Flutkatastrophe schrottreif. Viele von ihnen werden zentral gesammelt, um begutachtet zu werden. OZ-Leser können den Flutopfern helfen.
Gemeinsam mit der Aachener Zeitung (AZ) sammelt diese Zeitung Spenden für die Flutopfer. Dieser Text ist in der AZ erschienen.
Eschweiler/Alsdorf - Von außen sieht man dem metallicblauen Mercedes gar nichts an, der an Werner-Heisenberg-Straße im Alsdorfer Industriegebiet geparkt steht. Doch der Blick ins Innere offenbart, auch dieses schnittige Coupé ist dem zerstörerischen Hochwasser zum Opfer gefallen: Das komplette Interieur ist von einer Schlammschicht überzogen – Polster, Lenkrad, Armaturenbrett, Handbremse, Fußmatten. Fauliger Geruch strömt jedem entgegen, der die Fahrertür öffnet. Ob „nur“ geflutet oder gar wie Streichholzschachteln von der reißenden Strömung mitgerissen und viele Kilometer weiter als Schrotthaufen wiedergefunden: So ziemlich jeder Wagen, der den Wassermassen im Weg stand, ist jetzt ein Totalschaden. Was aber passiert mit den ungezählten Schlammautos, die gemeldet werden?
Eine Autoversicherung, die HUK, hatte sich schon sehr schnell für eine zentrale Abwicklung entschieden, wie Marlies Terwolbeck, Leiterin der Schadenaußenstelle Aachen, darlegt. Das Einverständnis der Versicherungsnehmer vorausgesetzt, werden die gemeldeten Autos zur Sammelbegutachtung eingeschleppt, die Kunden anschließend zwecks Schadensregulierung einbestellt. So landet ein Gros der Hochwasserschäden aus Kornelimünster, Stolberg und Eschweiler derzeit im Alsdorfer Industriegebiet, wo die HUK eine Firmenhalle angemietet und einen regelrechten Abwicklungsparcours eingerichtet hat. Neben der Versicherung sind dort auch zwei Gutachter der Dekra präsent sowie eine Mitarbeiterin des Online-Auktionators Copart.
„Bis unter die Decke war alles voll“
„Wir können den Kunden so einen Rundumservice bieten“, erklärt HUK-Schadenssachbearbeiter Marcel Heutz, der auch für den freundlichen älteren Herrn erster Ansprechpartner ist, der gerade mit der schüchternen Frage „Ist hier die Gutachterstelle?“ die Halle betritt. Er stammt aus Eschweiler und war mit dem Hund unterwegs gewesen, als die Flutwelle kam, wie er berichtet. „Von jetzt auf gleich stand ich bis zum Bauch im Wasser.“ Das dann auch in den Keller seines Hauses geschossen sei, „die Wohnung liegt zum Glück höher“. Als er wenig später das Garagentor geöffnet habe, sei ihm nochmals eine Wasserwelle entgegen gekommen. „Bis unter die Decke war alles voll. Inklusive Auto.“
Wie die meisten anderen Betroffenen ist auch er froh, den unbrauchbar gewordenen Wagen mit geringem Aufwand loswerden zu können. Normalerweise, so erklärt Sachbearbeiter Heutz, müsse man sich nach der Schadensregulierung selbst um die Entsorgung respektive Restwertveräußerung seines Kraftfahrzeugs kümmern. „Doch die vom Hochwasser betroffenen Menschen haben derzeit wirklich Wichtigeres zu tun.“ Im Zuge der Überweisung des Wiederbeschaffungswertes ohne Restwertabzug offeriert die HUK ihren Kunden, den gefluteten Wagen beziehungsweise das, was davon übrig geblieben ist, unmittelbar zu veräußern.
„Wir versuchen zu helfen, wo es geht“
Womit in der Alsdorfer Industriehalle Meike Siedlerins Spiel kommt, Aufkäuferin des Online-Auktionators: „Wir bieten an, den Wagen zu verwerten, inklusive kostenlosem Abschleppen und Abmelden. Die allermeisten Kunden sind froh darüber. Es ist ja schlimm genug, dass sie ihre Fahrzeuge verloren haben“, sagt sie: „Wir versuchen zu helfen, wo es geht“. Vor der Halle hat derweil einer ihrer Kollegen einen stattlichen Radlader angeworfen, gabelt das metallicblaue Mercedes-Coupé auf und hebt es routiniert auf den Autotransporter, der gerade vorgefahren ist. Weitere acht Schlammkarossen treten auf diese Weise schließlich ihren Weg über die Landstraße 240 an, zum rund acht Kilometer entfernten Copart-Gelände in Eschweiler. Rund 35.000 Quadratmeterist das Firmenareal groß, das in der Nacht zum 15. Juli ebenfalls geflutet worden war, mitsamt rund 300 Fahrzeugen, die hier geparkt waren. „1,50 Meter stand das Wasser hoch“, berichtet Manager Andre Bredow. Nachdem alles wieder abgelaufen war, wurde auch klar, dass auf das Unternehmen in den folgenden Monaten viel Arbeit zukommt.
Unter anderem Alt- und Unfallautos, wirtschaftliche Totalschäden, sind es gewöhnlicherweise, die bei Copart unter den Hammer kommen. Und jetzt eben auch die Schlammautos aus den Hochwassergebieten von Ahr, Erft, Inde und Vicht. Auch der metallicblaue Benz wird hier abgeladen und in die Waschzone gehievt, in der rund ein Dutzend Männer in wasserdichten Anzügen zu Gange sind. Zum Teil sind es zusätzlich eingesetzte Kollegen des Firmenverbunds aus den USA und Großbritannien. Männer mit Erfahrung. „Die Amerikaner kennen sich mit den Abläufen nach Naturkatastrophen besonders gut aus“, erläutert dazu Sophie Bischoff, Copart-Marketing-Direktorin, mit Verweis unter anderem auf die schlimme Flut in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina im Jahre 2005.
Zentimeterdicke Schlammkrusten
In zwei Reihen stehen die Schlammautos an der Phoenixstraße bereit, um mittels Hochdruckreiniger gesäubert zu werden. Was sich vor allem schwierig gestaltet, wenn sie von einer zentimeterdick eingetrockneten Schlammkruste bedeckt sind, wie es bei einem weiteren, völlig verbeulten Kleinwagen der Fall ist, den einer der Männer gerade bearbeitet. Aus den Wagen entfernt wird zudem alles, was die früheren Besitzer hinterlassen haben. Alltägliche Dinge aller Art finden sich da, die durch Matsch unbrauchbar wurden – Fahrradhelme, Einkaufstaschen, eine Blütengirlande, Duftsäckchen, Trinkflaschen. Als biogefährdend, sprich durch Mikroorganismen verseucht, gelten die feuchten Innenräume der Hochwasserautos. Weswegen sie grundsätzlich mit dem Radlader transportiert würden, wie Bredow erklärt, selbst wenn der ein oder andere Wagen noch fahrbereit wäre.
Rund 2000 Fahrzeuge sind in Eschweiler bereits aufbereitet und für die Auktion fertiggemacht worden. Wobei mittels Markierung an der Fahrertür genau gekennzeichnet wird, bis wo das Wasser im Wagen gestanden hat. Transparenz bei der Fahrzeugzustandsbeschreibung sei oberstes Gebot, betont Bredow. „Über 7000 Fahrzeuge aus den Fluten“, so die Schätzung von Bischoff, „werden schlussendlich über unseren Prozess abgewickelt werden“. Wobei eine ganze Reihe von ihnen noch gar nicht geborgen werden konnte.
So können die OZ-Leser helfen
Seit etwa drei Wochen läuft die Spendenaktion der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO), zu der auch diese Zeitung gehört. Über das Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“, eine Tochter der ZGO, wird Geld für Menschen in Eschweiler und Stolberg gesammelt. Die Orte wurden besonders hart von der Flut getroffen.
Das Spendenkonto lautet: „Ein Herz für Ostfriesland gGmbH“, IBAN: DE 55 2859 0075 0011 1112 00 bei der Ostfriesischen Volksbank eG, Leer. Gespendet werden kann auch hier direkt über Paypal. Jeder einzelne Spenden-Euro geht an die Flutopfer. Die Verwaltungskosten der „Ein Herz für Ostfriesland gGmbH“ werden komplett von der Zeitungsgruppe Ostfriesland getragen. Es gibt keinerlei Verrechnungen oder Abzüge.
Wer nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung veröffentlicht wird, muss das bitte auf der Überweisung vermerken. Bis zu einer Spende von 199 Euro erkennt das Finanzamt den Einzahlungsbeleg an. Bei höheren Beträgen können Spendenquittungen ausgestellt werden. Nähere Informationen gibt es per E-Mail.
Weitere Infos zur Aktion gibt es hier.