Berlin/Johannesburg (dpa)
Afrika-Gipfel in Berlin: Merkel wirbt für Investitionen
Die „Compact for Africa“-Konferenz in Berlin ist auch eine Art Abschied der Kanzlerin vom afrikanischen Kontinent. Oft hat sich Merkel dort persönlich für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft eingesetzt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf einem Afrika-Gipfel in Berlin für deutlich mehr Investitionen, aber auch Reformen auf Europas Nachbarkontinent geworben.
„Afrika verfügt über so viele Marktpotenziale, die es aber auch besser zu nutzen gilt“, sagte sie bei einer Konferenz der Subsahara-Afrika-Initiative der Deutschen Wirtschaft. Ein Fokus müsse auf den erneuerbaren Energien liegen: „Ihr Ausbau ist von enormer Bedeutung dafür, dass wir unsere globalen Klimaziele auch wirklich erreichen können.“
Produktion von Corona-Impfstoffen in Afrika
Bei dem teils online organisierten Treffen der Initiative „G20 Compact with Africa“, der bisher zwölf afrikanische Länder angehörten, forderte Merkel zugleich mehr Engagement für eine eigenständige Produktion von Corona-Impfstoffen in Afrika. Sie seien auch ein Schlüssel für die Ankurbelung der Wirtschaft. Die Länder der Afrikanischen Union importierten nach Angaben der Gemeinschaft zuletzt 99 Prozent ihrer Impfstoffe. 2040 sollen es nur noch 40 Prozent sein. In der Corona-Krise hatte die Afrikanische Union erst im Juli gefordert, dass Europa mehr tun müsse, um die globalen Ungerechtigkeiten bei der Impfstoffverteilung aufzuheben.
Italiens Regierungschef Mario Draghi, dessen Land aktuell den G20-Vorsitz inne hat, dankte Merkel für ihr Engagement und beklagte ebenfalls die ungleiche Verteilung von Impfstoffen. Während in den reicheren Ländern der Erde fast 60 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft seien, liege die Quote in den ärmeren Ländern bei 1,4 Prozent. „Diese Unterschiede verstärken die globale Ungleichheit und erschweren es für uns alle, die Pandemie zu einem Ende zu bringen.“ Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech gab am Rande der Konferenz bekannt, Malaria- und Tuberkulose-Impfstoffe in Afrika herstellen zu wollen und plant künftig Produktionsanlagen in Ruanda und Senegal.
Afrika ist gut aufgestellt
Mehrere Redner machten auf dem Gipfel klar, dass Afrika mit seiner jungen Bevölkerung und den vielen Ressourcen trotz Corona-Rückschlags gut aufgestellt sei. Allerdings müsse der öffentliche Sektor auch ein gutes Umfeld schaffen. Investitionen sind aus Sicht der Afrikanischen Union (AU) vor allem in die Infrastruktur nötig, um die Umsetzung des geplanten afrikanischen Binnenmarktes nicht zu gefährden. Sie werden auf jährlich bis zu 170 Milliarden US-Dollar (145 Mrd Euro) taxiert. Zudem müsse der Friedenssicherung weiter Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sich Afrika mittlerweile zu einem Hotspot des Terrorismus entwickele.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa - dessen Land als G20-Mitglied gemeinsam mit Deutschland den Vorsitz bei der Initiative hat - betonte den gestiegenen Kapitalbedarf, den afrikanische Länder durch die Corona-Krise haben. Afrika sei aber unzufrieden mit dem Zugang des Kontinents zu den internationalen Kapitalmärkten. Er betonte zudem die Notwendigkeit einer Ausdehnung der Impfstoffproduktion auf Afrika und dankte der Kanzlerin mit den Worten: „Wir werden Sie sehr vermissen.“ Merkels Beitrag habe dazu geführt, dass sich viele Dinge zugunsten Afrikas entwickelten.
Eine Art Abschied Merkels
Die Konferenz in Berlin war eine Art Abschied Merkels als Kanzlerin vom afrikanischen Kontinent. Ein Besuch dort vor dem Ausscheiden aus dem Amt nach der Bundestagswahl Ende September dürfte wegen der Pandemie kaum möglich sein. Merkel hatte sich auf vielen Reisen für Afrikas Entwicklung eingesetzt. Neben der Wirtschaft standen oft auch Gesundheits- und Bildungsfragen sowie die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen an. Die „Compact for Africa“-Initiative war 2017 während der deutschen Präsidentschaft in der Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) ins Leben gerufen worden.
Wegen Corona und damit einhergehender Jobverluste befürchten Experten zunehmende Instabilität auf Europas Nachbarkontinent. Gefragt sind dort auch kurzfristige Liquiditätshilfen. „Anders als Deutschland stecken viele Länder Afrikas in einer Liquiditätskrise; sie haben kaum Mittel zur Verfügung, um die finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen“, warnte die Entwicklungsorganisation One. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft mahnte, die Entwicklungspolitik stärker auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in Afrika auszurichten.
Die Corona-Restriktionen haben eine verheerende Auswirkung auf die Wirtschaft in vielen afrikanischen Ländern. Millionen Menschen in der informellen Wirtschaft oder ohne Arbeit kämpfen um ihre Existenz. Zwischen Sudan und Simbabwe verstärkte die Corona-Pandemie oft noch vorhandene strukturelle wirtschaftliche Probleme. Inzwischen nähert sich die Zahl der Corona-Fälle in Afrika laut der panafrikanischen Gesundheitsorganisation Africa CDC 7,6 Millionen, die Zahl der Toten bewegt sich auf die 200-000er-Schwelle zu. Durchgeimpft sind bisher lediglich rund zwei Prozent der Bevölkerung in Afrika - ein Wert, den Merkel als eine „dramatische Ungerechtigkeit“ wertete.
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