Tokio (dpa)

Streng sprintet zu Gold, Floors zu geteiltem Bronze

Holger Schmidt und Tobias Brinkmann, dpa
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Von Holger Schmidt und Tobias Brinkmann, dpa
| 30.08.2021 14:16 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Goldmedaillengewinner Felix Streng jubelt nach dem Rennen mit der deutschen Fahne. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Goldmedaillengewinner Felix Streng jubelt nach dem Rennen mit der deutschen Fahne. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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Felix Streng hat im 100-Meter-Sprint die dritte deutsche Goldmedaille bei den Paralympics gewonnen. Johannes Floors in seinem Lauf, Leon Schäfer ebenfalls über 100 Meter und Niko Kappel im Kugelstoßen holten am Montag jeweils Bronze.

Felix Streng jubelte sofort ausgelassen mit der Deutschland-Fahne.

Johannes Floors riss nach minutenlangem Bangen ebenfalls die Arme in die Luft und am Streckenrand ließ sich Leon Schäfer auch von harschen Ordnern nicht aus dem Innenraum verbannen. Nach drei deutschen Sprint-Medaillen bei den Paralympics innerhalb von zehn Minuten feierten die Protagonisten ausgelassen den Teamerfolg - trotz einer komplizierten Vorgeschichte.

„Bisschen verbrannte Erde hinterlassen“

„Felix hat leider ein bisschen verbrannte Erde hinterlassen“, sagte der mit Bronze über 100 Meter der Unterschenkelamputierten dekorierte Floors über den neuen Paralympicssieger Streng: „Aber ich verstehe mich immer noch sehr gut mit ihm. Wir gönnen uns jeden Erfolg.“

Auch Streng, der das dritte deutsche Gold in Tokio holte, betonte: „Johannes hat noch die 400 Meter, ich die 200 und die Staffel. Aber nach den Spielen werden wir feiern. Alle zusammen.“ Leon Schäfer, der unmittelbar zuvor Bronze über 100 Meter der Oberschenkelamputierten gewonnen hatte und den Finallauf der beiden Kollegen unbedingt an der Bahn verfolgen wollte, sagte strahlend: „Drei Medaillen. Sehr, sehr geil.“ Am Morgen hatte Niko Kappel im Kugelstoßen Bronze geholt.

Leverkusener Trainingsgruppe verlassen

Im vergangenen Oktober hatte noch dicke Luft geherrscht in Leverkusen. Streng hatte die dortige Trainingsgruppe um Floors, Schäfer, Markus Rehm, David Behre und Irmgard Bensusan verlassen, weil er sich nicht genug wertgeschätzt fühlte. Er zog nach London, ging seinen eigenen Weg und startet inzwischen für Wetzlar. Das Wort „Genugtuung“ hielt er nach dem größten Erfolg seiner Karriere aber für unangebracht. „Wir haben acht Jahre gut zusammengearbeitet. Ich finde schade, dass es so geendet ist. Da waren definitiv beide Seiten dran schuld“, sagte der 26-Jährige.

„Ich bin happy, dass ich das geschafft habe, nach dem Jahr mit den vielen großen Veränderungen“, sagte Streng: „Der Mut, sich auf mein Bauchgefühl zu verlassen, hat sich ausgezahlt. Da stand im Oktober ein verrückter Deutscher in London und sagte: Ich trainiere jetzt mit euch. Aber ich lerne dort extrem viel. Es hat Feuer in mir geweckt.“

Strengs Sieg in 10,76 Sekunden war schnell klar. Floors musste dagegen minutenlang auf den Zielfotoentscheid warten, bis klar war, dass er und der London- und Rio-Paralympicssieger Jonnie Peacock aus Großbritannien mit 10,79 Sekunden zeitgleich Dritte sind. „Das war einer der spannendsten Momente, die ich je erlebt habe. Da passiert einfach nichts, und dann wollen sie uns von der Bahn schmeißen und den nächsten Lauf vorbereiten“, sagte Floors.

Auf den Spuren von Pistorius

Nun will er über 400 Meter nicht nur in der legendären Klasse von „Blade Runner“ Oscar Pistorius triumphieren, sondern auch über dessen Spezialstrecke. Der südafrikanische Prothesen-Sprinter, der wegen Totschlags seiner Freundin im Gefängnis sitzt, hatte durch seine Teilnahme bei Olympia 2012 den gesamten Para-Sport bekanntgemacht. „Ich habe mich voll auf die 400 konzentriert, und ich habe voll Bock auf den 3. September“, sagte Floors und war mit Bronze „echt happy“.

Auch Schäfer war zwei Tage nach der Silber-Enttäuschung im Weitsprung zufrieden. „Ich habe mir andere Farben der Medaillen gewünscht. Aber ich habe viel gelernt. Als Favorit reinzugehen und nicht mehr der kleine Junge, wie in Rio, ist etwas anderes“, sagte er und kündigte mit Blick auf die Spiele 2024 an: „Ich weiß, woran ich arbeiten muss. Paris wird auf jeden Fall mir gehören.“

Rio-Sieger Kappel kostete derweil möglicherweise die Verschiebung der Spiele die nächste Goldmedaille. „Wenn man meine Leistung anschaut, ja“, antwortete der 26-Jährige auf die Frage, ob die Spiele besser 2020 stattgefunden hätten. Beim ursprünglichen Termin im Vorjahr hatte der kleinwüchsige Stuttgarter seine Klasse dominiert.

„Letztes Jahr hatte ich tolle Wettkämpfe. Heute bin ich mit meiner Leistung nicht ganz zufrieden. Aber mit der Medaille bin ich sehr happy. Mir fällt echt ein Stein vom Herzen, dass es noch eine Medaille geworden ist nach dieser schwierigen, ich würde fast sagen, Scheiß-Saison.“ Nach Bronze bei der EM Anfang Juni hatte Kappel eine sechswöchige Verletzungspause einlegen müssen.

© dpa-infocom, dpa:210830-99-24214/5

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