Nürnberg (dpa)
Arbeitsmarkt legt keine Sommerpause ein
Im Sommer steigen normalerweise die Arbeitslosenzahlen. Nicht so in diesem Jahr. Seit den Öffnungsschritten in der Corona-Pandemie holt der Arbeitsmarkt kräftig auf. Doch es gibt ein großes Risiko.
Die Corona-Krise ist noch nicht überwunden, aber der Arbeitsmarkt ist auf einem guten Weg: Im August ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland erneut gesunken, was wegen der Sommerpause in dem Monat eigentlich unüblich ist.
Bundesweit waren rund 2,58 Millionen Menschen ohne Job, etwa 12.000 weniger als im Juli und 377.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 5,6 Prozent.
„Der Arbeitsmarkt hat sich weiter positiv entwickelt“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, am Dienstag in Nürnberg bei der Vorstellung der aktuellen Arbeitsmarktstatistik. „Das Beschäftigungswachstum gewinnt an Fahrt.“
Optimistischer Ausblick
Auch auf die kommenden Monate blickt die Bundesagentur optimistisch. Derzeit weise kein Indikator auf eine negative Entwicklung hin, sagte Scheele. Ähnlich sieht das KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib: Die Auftragslage in der Industrie und im Baugewerbe sei trotz der Lieferengpässe weiterhin sehr gut. Die Materialknappheit werde den Aufschwung am Arbeitsmarkt deshalb wenig beeinträchtigen.
Das größte Risiko sehen die Fachleute derzeit in den steigenden Infektionszahlen und der Impfbereitschaft der Menschen. Die Impfquote werde ausschlaggebend dafür sein, ob es im Herbst angesichts einer vierten Corona-Welle erneute Einschränkungen und damit Folgen für die Beschäftigung geben werde, sagte Scheele.
Bereits im Juli war die Arbeitslosigkeit bundesweit entgegen dem saisonüblichen Trend zurückgegangen. Normalerweise steigen die Arbeitslosenzahlen über den Sommer, weil Unternehmen vor den Ferien weniger einstellen und Ausbildungsverhältnisse enden.
Doch das wird in diesem Jahr von Nachholeffekten nach den Öffnungsschritten im Frühsommer überlagert: Nach dem monatelangen Lockdown suchen Betriebe in vielen Branchen wieder verstärkt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 779.000 offene Stellen verzeichnete die Bundesarbeitsagentur im August - 195.000 mehr als vor einem Jahr.
So sank nach Angaben der Bundesagentur zum ersten Mal seit 2010 die Zahl der Arbeitslosen im Monat August. Saisonbereinigt ging die Zahl der Menschen ohne Job sogar um 53 000 zurück. Stichtag für die aktuelle Arbeitsmarktstatistik war der 12. August.
Corona-Einfluss nimmt ab
„Der Einfluss der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt wird kleiner, auch wenn er weiterhin sichtbar ist“, teilte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit. Nach Schätzung der Bundesagentur liegt das Niveau der Arbeitslosigkeit noch immer um 261.000 Menschen höher, als es ohne Pandemie der Fall gewesen wäre. Frühestens Ende 2023 werde der Corona-Effekt nicht mehr spürbar sein, sagte Scheele.
Auch die Anzeigen für Kurzarbeit gingen im August zurück. Vom 1. bis 25. August zeigten Unternehmen für 68.000 Menschen konjunkturelle Kurzarbeit an. Viele der Anzeigen sind jedoch nicht mehr auf die Corona-Krise zurückzuführen. Die davon besonders betroffenen Branchen kehrten zunehmend zum Alltag zurück, sagte Scheele. Etwa ein Drittel der Anzeigen stamme inzwischen aus der Automobilindustrie, ein weiteres Drittel aus der übrigen Industrie. „So dass wir das typische Kurzarbeit-Muster wieder haben“, sagte Scheele.
Trend bei Kurzarbeit geht in richtige Richtung
Hochgerechnete Daten, wie viele Menschen in Deutschland tatsächlich Kurzarbeitergeld beziehen, liegen bis Juni vor. Danach wurde in dem Monat für 1,59 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt - damit rutschte die Summe seit Beginn der Krise erstmals unter die Zwei-Millionen-Marke. „Der Trend geht also in die richtige Richtung“, sagte Heil.
Auch am Ausbildungsmarkt sei mittlerweile eine Aufhellung sichtbar, sagte Scheele. Im Vergleich zum Vorjahr gebe es einen leicht positiven Trend, trotzdem sei dieser noch immer von der Corona-Krise geprägt, sagte Scheele. So sei vor allem die Zahl der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber von Oktober 2020 bis August 2021 mit 420 000 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erneut zurückgegangen.
Dafür ist nach Ansicht der Bundesagentur-Fachleute nicht sinkendes Interesse an einer Ausbildung bei den jungen Leuten verantwortlich, sondern der erschwerte Zugang: Wegen der Pandemie fielen Praktika in Betrieben, Ausbildungsmessen und Besuche von Jobberatenden in Schulen aus.
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