Tokio (dpa)

Rehm siegt ohne Zugaben - Gold-Show von Engel und Krawzow

Holger Schmidt und Tobias Brinkmann, dpa
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Von Holger Schmidt und Tobias Brinkmann, dpa
| 01.09.2021 16:27 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Markus Rehm holte die Goldmedaille im Weitsprung. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Markus Rehm holte die Goldmedaille im Weitsprung. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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Es ist tatsächlich ein Super-Mittwoch für die deutschen Athleten bei den Paralympics. Für die größte Show sorgt am Ende aber nicht Para-Superstar Markus Rehm, sondern ein 19 Jahre alter Schwimmer.

Viermal Gold, zwei Weltrekorde, sieben Medaillen - das war wirklich der erhoffte Super-Mittwoch bei den Paralympics in Tokio!

Die Flugshow von Para-Superstar Markus Rehm war letztlich wenig spektakulär, dafür war die von Elena Krawzow (Berlin) und vor allem von Taliso Engel (Leverkusen) umso größer. Sie holten innerhalb von sechs Minuten zweimal Gold über 100 Meter Brust und beendeten den Titelfluch der deutschen Schwimmer mit einem Paukenschlag.

Fast-Olympia-Starter Rehm feierte nach seiner 15. Goldmedaille im 15. großen internationalen Wettbewerb mit der Deutschlandfahne im verregneten Olympiastadion. Seine erhofften Zugaben hatte er aber verpasst. Mit 8,18 Meter hatte er weder seinen zwei Monate alten Weltrekord (8,62) ernsthaft angreifen können, noch sprang er weiter als der Grieche Miltiadis Tentoglou bei dessen Olympiasieg (8,41). Rehms Weite hätte bei Olympia nicht zu Bronze gereicht.

Rehm nicht ganz zufrieden

„Das juckt und ärgert mich schon. Das kann man nicht unter den Tisch kehren. Das muss ich ein bisschen sacken lassen und dann analysieren“, sagte Rehm, der in den Katakomben einen wahren Interview-Marathon absolvieren musste. Zwei Dutzend Japaner harrten noch eine Stunde nach Wettkampfende geduldig am Ende der Journalistenschlange aus.

„Ich freue mich wirklich über die Goldmedaille. Zumal sie wirklich schön ist“, sagte Rehm. Doch für die fehlenden Zentimeter gebe es „keine Ausrede“. Nicht das Wetter. „Die Bedingungen waren gut“. Und auch nicht der letztlich vergebliche Kampf um eine Olympia-Teilnahme. „Das hat sehr viel Körner gekostet, aber das hat keine Rolle gespielt. Das war heute komplett ich.“

Der erst 19 Jahre alte Engel konnte derweil gar nicht mehr aufhören zu strahlen. Zunächst hatte er im Vorlauf mit 1:03,52 Minuten den acht Jahre alten Weltrekord des Ukrainers Oleksii Fedina verbessert, dann steigerte er ihn im Finale noch mal um über eine halbe Sekunde auf 1:02,97 Minuten. „Ich habe mich großartig gefühlt“, schwärmte der sehbehinderte Engel und erklärte: „Ich hätte niemals mit dieser Zeit gerechnet.“ Nun ist er Welt- und Europameister sowie Paralympicssieger. Und das als Teenager. Zurücklehnen will er sich aber keineswegs. „Nein“, stellte er klar und blickte auf die Paralympics 2024: „Ich bin gespannt auf Paris.“

Traum von Krawzow geht in Erfüllung

Für die ebenfalls sehbehinderte Krawzow, die im vergangenen Oktober Playboy-Model gewesen war, ging ein langer Traum in Erfüllung. Sie war schon Weltrekorde geschwommen, hatte WM-Titel gewonnen und war Europameisterin geworden. Ein Paralympicssieg hatte der 27-Jährigen noch gefehlt. Bis Donnerstag. „Seit zehn Jahren arbeite ich darauf hin“, sagte die Berlinerin: „Es war das Einzige, was mir gefehlt hat. Ich habe eine ganz, ganz große Befriedigung in mir.“

Gold holte auch Sportschützin Natascha Hiltrop (Lengers) im Zehn-Meter-Wettbewerb mit dem Luftgewehr. Die 29-Jährige gewann in einem spannenden Finale mit 253,1 Ringen und einem hauchdünnen Vorsprung von 0,1 Ringen vor dem Südkoreaner Jino Park (253,0). „Ich bin sehr glücklich, dass ich das umsetzen konnte, was ich mir vorgenommen habe“, jubelte die 29-Jährige.

Neun Titel in sechs Sportarten

Besonders erfreulich: Hiltrops Gold war das erste für die Schützen seit 2004. Die von Engel und Krawzow die ersten der Schwimmer seit 2012. Zusammen mit dem Gold von Tischtennisspieler Valentin Baus und Triathlet Martin Schulz hat der DBS in Japan seine bisher neun Titel nun schon in sechs verschiedenen Sportarten geholt. Vor fünf Jahren in Rio hatten neben Schulz nur Radfahrer oder Leichtathleten ganz oben auf dem Treppchen gestanden.

Silber holte einen Tag nach ihrem Sieg im Zeitfahren Annika Zeyen (Bonn) im Straßenradrennen. Thomas Schmidberger (Düsseldorf) und Thomas Brüchle (Frickenhausen) haben Silber im Tischtennis-Teamwettbewerb sicher und versuchen sich am Donnerstag gegen China nach Finalniederlagen 2012 und 2016 zum dritten Mal beim Griff nach Gold. Bronze erhalten ihre Teamkollegen Björn Schnake (Thiede) und Thomas Rau (Solingen) in ihrer Klasse nach dem 0:2 im Halbfinale gegen China, weil Platz drei nicht ausgespielt wird.

© dpa-infocom, dpa:210901-99-53859/3

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