Luxemburg (dpa)
Schlappe für Telekom und Vodafone vor dem EuGH
Filme gucken auf Handy oder Tablet ist praktisch, hat aber einen Haken: Das monatliche Datenvolumen kann schnell aufgebraucht sein. Bestimmte Handytarife versprachen Abhilfe - und sorgten für Streit.
Die Deutsche Telekom und Vodafone haben mit bestimmten Tarifen, die eigentlich eine unbegrenzte Datennutzung versprachen und dennoch eingeschränkt wurden, gegen Europarecht verstoßen.
Zu diesem Schluss kommt der Europäische Gerichtshof in einem am Donnerstag veröffentlichen Urteil. Hierbei geht es um sogenannte Nulltarif-Optionen, auch „Zero-Rating-Tarife“ genannt, bei denen zum Beispiel Videos auf dem Smartphone ohne Anrechnung auf das monatliche Datenvolumen gestreamt werden können. Die Firmen zogen aber doch gewisse Grenzen, die sie später auf Druck der Bundesnetzagentur zurücknahmen. Gerichtsverfahren dazu liefen weiter. Nun hat sich der EuGH eingeschaltet.
Die Tarife, um die es ging, heißen „Vodafone Pass“ und „Stream On“ (Telekom). Die Nutzer haben zwar ein monatliches Datenvolumen, bestimmte Dienste sind von dieser Volumensbegrenzung aber ausgenommen - etwa Videos auf der Netflix-App oder in der ARD Mediathek. Wenn man also Filme guckt, muss sich der Kunde keine Sorgen machen, dass sein Datenvolumen bald aufgebraucht ist und er dann bis Monatsende zum Schneckentempo-Internet verdammt ist.
Allerdings schlugen die Firmen 2017 gewissermaßen Leitplanken ein, damit Datenmengen nicht zu groß wurden. So drosselte die Telekom die Übertragungsrate bei Filmen - die konnten im Rahmen des „Stream On“-Tarifs nicht in HD-Qualität, sondern nur in SD geguckt werden, also in geringerer Auflösung. Vodafone verankerte diese Maßnahme ebenfalls in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, machte nach Aussage eines Firmensprechers davon aber nicht Gebrauch.
Außerdem wurde der Datenverbrauch im europäischen Ausland 2017 bei „Stream On“ und beim Konkurrenzprodukt „Vodafone Pass“ zunächst auf das Monatsvolumen angerechnet, obwohl der Verbraucher im europäischen Ausland laut EU-Regeln zu denselben Konditionen surfen soll wie daheim (Roam like at Home). Diese Anrechnung kippten beide Firmen später.
Ein Streitpunkt war zudem, ob Vodafone „Tethering“ von seinem Tarif ausschließen darf - wenn man also sein Handy als Hotspot nutzt und sich mit dem Tablet verbindet, um darauf einen Film zu gucken. Der Datenverbrauch könnte durch die Nutzung von mehreren Endgeräten deutlich steigen - dem wollte Vodafone einen Riegel vorschieben können. Auch dies hielten die EuGH-Richter für rechtswidrig.
Die Beanstandungen der Richter bezogen sich auf Regelungen der Vergangenheit, die größtenteils ohnehin schon ausgeräumt waren - einzig die Teterhing-Klausel ist noch in den Vodafone-AGB drin, von ihr wurde einem Firmensprecher zufolge aber nie Gebrauch gemacht. Nach der Wortmeldung des EuGH gehen separate Verfahren an zwei deutschen Gerichten weiter - es ist nun aber klar, dass die Unternehmen dort auf verlorenem Posten stehen.
Das Urteil könnte aber dennoch Auswirkungen auf das aktuelle Geschäftsmodell der Zero-Rating-Produkte haben. So heißt es in der Gerichtsmitteilung: „Eine solche Geschäftspraxis verstößt gegen die allgemeine, in der Verordnung über den Zugang zum offenen Internet aufgestellte Pflicht, den Verkehr ohne Diskriminierung oder Störung gleich zu behandeln.“ Diese Aussage könnte man so verstehen, dass das Produkt aus Sicht der Richter generell gegen die Netzneutralität - also die Gleichbehandlung von Daten - verstößt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), der gegen Vodafone vor Gericht gezogen war, zeigte sich erfreut. „Das heutige EuGH-Urteil gegen den Vodafone-Pass setzt ein Zeichen für Netzneutralität und ist ein Sieg für den Verbraucherschutz“, erklärte VZBV-Vorstand Klaus Müller. Die Bundesnetzagentur, die ebenfalls gegen Vodafone und gegen die Telekom vorgegangen war, teilte mit, dass die Entscheidungen des Gerichts über die Anordnungen der Bundesnetzagentur hinausgingen. „Es ist deswegen zu erwarten, dass die auf Anordnung der Bundesnetzagentur bereits 2019 angepassten Angebote in ihrer jetzigen Form nicht aufrechterhalten werden können.“
Die betroffenen Firmen betonten beide, dass man die Tarife ja schon längst geändert habe. Für das jetzige „Stream On“ ändere sich also nichts, sagte ein Telekom-Sprecher. „Soweit das Urteil darüber hinaus Aussagen zu Zero-Rating im Allgemeinen enthält, haben diese mit dem Verfahrensgegenstand zunächst nichts zu tun. Was daraus folgt, muss der Gesetzgeber klären.“
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