Berlin/Genf (dpa)
Ist die Pandemie im Frühjahr vorbei?
Dass dieses Virus endlich keine Rolle mehr im Alltag spielt - eine schöne Vorstellung. Doch die Wissenschaft warnt davor, so zu tun, als sei spätestens in ein paar Monaten Corona gänzlich überstanden.
Weltweit hoffen die Menschen auf ein baldiges Ende der Corona-Pandemie. Aber wie realistisch ist das?
BEHAUPTUNG: Im Frühjahr 2022 ist Schluss mit Corona.
BEWERTUNG: problematische Verallgemeinerung
FAKTEN: Die Einschätzung, dass die Pandemie im Frühjahr vorbei ist, offenbare „eine sehr deutsch-zentrierte Sicht“, sagt der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Man habe international teilweise noch sehr niedrige Impfquoten. In fast allen afrikanischen Staaten etwa liegt der Anteil der vollständig Geimpften bei deutlich unter zehn Prozent, wie das Impf-Dashboard der Johns Hopkins University zeigt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt deshalb davor, dass sich besonders in diesen Bevölkerungen neue Varianten von Sars-CoV-2 entwickeln können - die dann wiederum auch für Geimpfte und Genese weltweit gefährlich werden könnten. „Die Ungleichheit beim Impfen ist die größte Hürde der Welt, die einer Beendigung der Pandemie und einer Erholung von Covid-19 entgegensteht“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus jüngst.
Selbst für Deutschland ist Epidemiologe Zeeb skeptisch gegenüber der Annahme, dass man ab dem kommenden Frühjahr keine Einschränkungen mehr brauche: „Wir haben dann wahrscheinlich immer noch einige Millionen Menschen, die nicht geschützt sind und von denen immer noch Tausende wirklich krank werden können.“ Davon auszugehen, dass Corona in einem halben Jahr keine Rolle mehr spiele, sei nicht zielführend.
Darüber hinaus fasste der Leiter der Virologie der Berliner Charité, Christian Drosten, die Situation am Donnerstag im „Deutschlandfunk“ so zusammen: „Wir werden natürlich infektionsmedizinisch, epidemiologisch Nachwirkungen der Pandemie noch jahrelang haben.“
Grundsätzlich sind sich Fachleute weltweit einig, dass das Virus langfristig bleiben und endemisch wird. Das bedeutet, dass es - wie etwa Influenza-Viren - in der Bevölkerung zirkuliert und saisonale Ausbrüche verursacht. Der Verlauf dürfte dann bei den meisten Menschen nicht allzu gravierend sein, so die Hoffnung der Forscher, da sie durch vorherige Infektionen oder die Impfung eine Grundimmunität gegen das Virus haben.
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