Frankfurt/Main (dpa)
Handballer hoffen auf die Rückkehr zur Normalität
Die Handball-Bundesliga startet bereits in ihre 56. Spielzeit, die nach der Corona-Saison zu einem Neuanfang wird. Die erhoffte Rückkehr zur Normalität mit Zuschauern gestaltet sich aber höchst unterschiedlich.
Titelverteidiger THW Kiel kann die Jagd nach der 23. Meisterschaft vor fast vollem Haus starten, beim Bundesliga-Comeback von Aufsteiger HSV Hamburg müssen dagegen gut drei Viertel der Plätze frei bleiben.
Die von den Handballern nach einer wirtschaftlich schwierigen Saison sehnsüchtig erwartete Rückkehr der Zuschauer birgt aufgrund der unterschiedlichen Corona-Regeln in Deutschland viel Zündstoff und sorgt auch bei HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann vor dem Saisonauftakt für Verdruss. „Wir haben immer noch einen Flickenteppich und eine große Diskrepanz. Ich rechne mit einem sehr komplizierten Jahr“, sagte Bohmann.
9000 Fans dürfen das Heimspiel von Rekordmeister Kiel gegen HBW Balingen-Weilstetten an diesem Mittwoch in der Halle live verfolgen - bei einer Kapazität von 10 285 Zuschauern bedeutet das fast eine Vollauslastung. „Ich habe eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, endlich wieder vor vollen Rängen spielen zu können“, sagte THW-Kapitän Patrick Wiencek. Die MT Melsungen darf ihre Heimstätte in Kassel sogar komplett auslasten.
Weniger Fans in den Großstädten
Den krassen Gegensatz bilden die Millionenmetropolen Berlin und Hamburg. Bei den Füchsen Berlin sind in der Max-Schmeling-Halle mit einer Handball-Kapazität von normalerweise rund 9000 Plätzen derzeit nur 2000 Besucher zugelassen. Ähnlich große Lücken auf den Tribünen wird es in der Hamburger Arena mit einem Fassungsvermögen von 13.000 Zuschauern geben. Zum ersten Bundesligaspiel des ehemaligen Champions-League-Siegers seit dem Rückzug durch den Insolvenzverwalter im Januar 2016 erhalten maximal 3000 Anhänger Einlass.
Für HSV-Trainer Torsten Jansen ist dies ein Fall von „Wettbewerbsverzerrung“, benötige doch gerade der Aufsteiger die Unterstützung des Publikums. Das gilt sowohl sportlich im Kampf um Punkte als auch finanziell. Denn die vergangene Corona-Saison hat bei allen Vereinen wirtschaftliche Spuren hinterlassen - sogar beim Branchenführer aus Kiel.
„Wir gehen davon aus, das vergangene Geschäftsjahr mit einer roten Null und einem leicht negativen Ergebnis abzuschließen“, berichtete der THW-Aufsichtsratsvorsitzende Marc Weinstock. Und Geschäftsführer Viktor Szilagyi betonte im NDR: „Natürlich versuchen wir, so viele Fans wie möglich in die Halle zu lassen. Da geht es nicht um Gewinnoptimierung, sondern um den Erhalt von Spitzenhandball in Kiel.“
Einnahmeverluste
Dass trotz massiver Einnahmeverluste alle Bundesligisten die Corona-Krise bisher weitgehend unbeschadet überstanden haben, ist in erster Linie den Millionen-Hilfen von Bund und Ländern und natürlich der Treue zahlreicher Sponsoren zu verdanken. Zudem verzichteten Spieler, Trainer und Angestellte auf Teile ihres Gehaltes.
„Solche Kraftakte sind nicht wiederholbar“, sagte Axel Geerken, Vorstand der MT Melsungen, in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Insofern freuen wir uns nun auf eine Saison, in der wir endlich wieder unter nahezu normalen Bedingungen spielen können, das heißt vor allem, mit Zuschauern.“
Folgen der Pandemie noch lange spürbar
Jennifer Kettemann, Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen, befürchtet dennoch: „Wie bei den meisten Clubs werden uns die Folgen der Corona-Pandemie noch lange begleiten.“ Die Mannheimer mussten als erster Verein und am längsten vor leeren Rängen spielen. Kettemann: „Finanziell ist das natürlich ein riesiger Einschnitt für uns gewesen.“
Ganz ähnlich erging es den anderen Vereinen, weshalb in der Branche noch niemand Entwarnung geben mag. So mahnte Karsten Günther, Geschäftsführer des SC DHfK Leipzig: „Wir müssen weiter flexibel, kreativ und vorsichtig bleiben, denn die Lage ist nach wie vor dynamisch und keiner weiß, wie sie sich genau entwickelt.“
Sein Berliner Kollege Bob Hanning hofft, „dass wir durch die Vernunft und die Impfungen eine Saison ohne Verzögerungen und Ausfälle spielen können.“ Am liebsten natürlich vor vollen Rängen, wäre doch aus seiner Sicht „ein weiteres Jahr mit signifikanten Zuschauerausschlüssen gefährlich“.
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