Dresden (dpa)
Mutmaßliche Linksextremisten in Dresden vor Gericht
Es geht um brutale Angriffe mutmaßlicher Linksextremisten aus Leipzig auf Personen aus der rechten Szene in Sachsen und Thüringen. Laut Anklage hat dabei eine Studentin teils das Kommando geführt.
Eine militante linksextremistische Gruppe aus Leipzig soll zwischen 2018 und 2020 Menschen aus der rechten Szene überfallen und zusammengeschlagen haben.
Am Oberlandesgericht (OLG) Dresden begann am Mittwoch der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder, die der Anklage zufolge ideologisch motiviert, organisiert und brutal gehandelt haben sollen. Bundesanwalt Bodo Vogler sagte, Ziel der Vereinigung „war und ist“ es, tatsächliche und mutmaßliche Angehörige der rechten Szenen anzugreifen und mit Schlagwerkzeugen zu verletzten. Nach Überzeugung der Anklage führte die Studentin Lina E. in mindestens zwei Fällen das Kommando und bereitete die Angriffe in Leipzig, Wurzen und Eisenach vor.
Die 26-Jährige, ein gleichaltriger Mann und ein 36-Jähriger aus Leipzig sowie ein 26-Jähriger aus Berlin sind wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung sowie teils auch Sachbeschädigung angeklagt.
Die spätestens im August 2018 „in und um Leipzig“ gegründete Vereinigung basiere auf „einer militant-linksextremistischen Ideologie“ und sei auf die Begehung politisch motivierter Straftaten ausgerichtet gewesen, sagte Vogler. Ihre Mitglieder lehnten den bestehenden demokratischen Rechtsstaat ebenso ab wie das staatliche Gewaltmonopol. Lina E. habe darin von Anfang an „eine herausgehobene Stellung“ eingenommen, Aktionen aktiv vorbereitet und sei durch das Ausspähen des Umfeldes auch an der Auswahl der Opfer beteiligt gewesen.
Die aus dem hessischen Kassel stammende Studentin ist seit Anfang November 2020 in Untersuchungshaft, die drei Männer nicht. E. hat laut Anklage auch Handys, teils anonymisierte Sim-Karten und Tatwerkzeuge vorgehalten. Ihr gesondert verfolgter langjähriger Lebensgefährte habe für Verstärkung der Gruppe bei Gewalttaten gesorgt und sei selbst bei Anschlägen dabei gewesen.
Insgesamt 13 Menschen wurden verletzt
Es geht um sechs Attacken, die jeweils in Überzahl erfolgten. Insgesamt 13 Menschen wurden verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich. Ein Geschädigter wurde laut Anklage durch Sprünge in den Rücken zu Fall gebracht, gewürgt, mit Fäusten und Teleskopschlägern geschlagen. In einem anderen Fall soll E. unbeteiligte Anwesende davon abgehalten haben, einem durch Schläge gegen Kopf und Rumpf schon Bewusstlosen zu helfen. Der Wirt eines rechten Szenelokals in Eisenach wurde mit Hammer, Radschlüssel und Stangen attackiert. Der Überfall im Dezember 2019 hatte die Ermittlungen ausgelöst, die später der Generalbundesanwalt übernahm.
Der Vorsitzende des Staatsschutzsenats, Hans Schlüter-Staats, sprach von „schwerwiegenden Vorwürfen“ und „gravierenden Körperverletzungsdelikten“. Dispute unter anderem über die Behauptung der Verteidiger, die Akten seien unvollständig, hatten den Beginn der Verhandlung verzögert. Die Rechtsanwälte warfen dem Gericht Gängelung und unfaire Behandlung vor. Einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter stellte dieser zurück.
Vor dem Gebäude bekundeten Dutzende Demonstranten Solidarität mit den Angeklagten. Als Lina E. und ihre Mitangeklagten in den Saal kamen, wurden sie mit lautem Beifall und Gejohle von Anhängern im Publikum begrüßt.
In einer gemeinsamen Erklärung stellten alle Verteidiger zunächst die Zuständigkeit der Generalbundesanwaltschaft (GBA) als Anklagevertretung in Frage. Es handle sich bei den Vorwürfen um einzelne Auseinandersetzungen und nicht um einen Angriff auf den Staat. Von einer kriminellen Vereinigung könne keine Rede sein. Für die GBA sei das Verfahren ein „Experiment“, wie weit man mit dem Paragrafen 129 gehen könne. Sie habe selbst einräumen müssen, dass ihr weder ein Gründungsdatum der Vereinigung noch Umstände der Gründung bekannt seien. „Die Bundesanwaltschaft hat nicht genügend Beweise für eine Vereinigung“, sagte ein Verteidiger.
Zudem monierten die Anwälte, dass in einem Hochsicherheitssaal verhandelt werde, der für Prozesse mit Terror-Verdacht geschaffen wurde. Die Art des Verfahrens bringe ihre Mandanten in die Nähe von Terroristen. Eine weitere Kritik betraf den Umstand, dass vor Prozessbeginn Unterlagen, Dokumente und personenbezogene Daten an Medien lanciert worden seien, darunter an das in der rechten Szene beliebte „Compact-Magazin“. Die Anklage sei nicht das Endergebnis von Ermittlungen, sondern resultiere aus einem Wunsch der GBA. „Was nicht passt, wird passend gemacht. Stand jetzt - so befürchte ich - ist ein faires Verfahren nicht zu erwarten“, erklärte einer der Anwälte.
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