Berlin (dpa)

Lehrerverband: „Freedom Day“ an Schulen nicht vor Februar

| 23.09.2021 16:12 Uhr | 1 Kommentar | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Ein normaler Schulalltag ist Bildungsverbänden und Schülervertretern zufolge noch weit entfernt. Foto: Peter Kneffel/dpa
Ein normaler Schulalltag ist Bildungsverbänden und Schülervertretern zufolge noch weit entfernt. Foto: Peter Kneffel/dpa
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Beginnt jetzt das dritte Corona-Schuljahr in Folge? Bildungsverbände und Schülervertreter sehen noch einen langen Weg bis zur Normalität. Politik und Behörden verteidigen die Einschränkungen.

Während Corona-Maßnahmen in vielen Lebensbereichen immer mehr gelockert werden, müssen Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands wohl noch Monate mit Einschränkungen wie Masken, Tests und Abstandsregeln zurechtkommen.

Den „Freedom Day“ für Schulen sehe man frühestens ab etwa Februar 2022 als wahrscheinlich und möglich an, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der Deutschen Presse-Agentur. Der Begriff „Freedom Day“ stammt aus England, wo am 19. Juli die Corona-Maßnahmen weitgehend aufgehoben wurden.

Auch die Bildungsgewerkschaften GEW und VBE, die Hunderttausende Lehrkräfte in Deutschland vertreten, sehen die Schulen im neuen Schuljahr, das nun überall in Deutschland läuft, noch weit von einer Normalität wie vor Corona entfernt. Die Bundesschülerkonferenz befürchtet erneut einen Herbst und Winter, in dem Schülerinnen und Schüler wegen der Lüftungsvorgaben frierend mit Winterjacke im Klassenzimmer sitzen.

Thema beschäftigt Gerichte

Auch Gerichte beschäftigen sich weiterhin mit dem Thema. Wie der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mitteilte, wurde der Eilantrag einer Fünftklässlerin aus dem Neckar-Odenwald-Kreis gegen die Masken- und Testpflicht als unbegründet abgelehnt. Die Maskenpflicht diene dem legitimen Zweck, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler sowie einer potenziell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen.

Der Hamburger Senat antwortete bei Twitter auf Fragen zu einem Ende der Maskenpflicht an Schulen: „Die Maskenpflicht wird dort aufgehoben, wo alle geimpft sind.“ An Schulen sei das nicht der Fall, da es für unter Zwölfjährige noch keinen Impfstoff gebe. Mit der Zulassung eines Corona-Impfstoffs für Kinder unter zwölf Jahren rechnet Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres.

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) verteidigte die Maßnahmen an Schulen ebenfalls mit Verweis auf die fehlende Impfmöglichkeit für Kinder und widersprach kritischen Äußerungen von Altbundespräsident Christian Wulff. Sicherheitsmaßnahmen zur Absicherung des Präsenzunterrichts seien nach wie vor notwendig, sagte Tonne der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Wulff hatte zuvor gesagt: „Die Schulen sind strenger geregelt als die Erwachsenenwelt - das ist empörend.“

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein stellte Schülerinnen und Schülern im Norden unterdessen ein Ende der Maskenpflicht in Aussicht. „Unser gemeinsames Ziel ist Stand heute, dass wir diese Pflicht Ende Oktober auslaufen lassen werden“, sagte Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) am Donnerstag.

GEW: Normalität weit entfernt

Von einer Normalisierung des Schulalltags sei man noch weit entfernt, sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze der dpa. „Es bleibt schwierig, einerseits eine gute Beziehungsarbeit aufzubauen, die für das soziale Miteinander unerlässlich und Grundlage des gemeinsamen Lernens ist, wenn andererseits aus guten Gründen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einzuhalten sind.“

An einen Schulalltag wie vor Corona sei weiter nicht zu denken, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. „Dafür nimmt das Testen, Abstandhalten und die Unterbrechung durch das ständige Lüften weiter zu viel Platz ein. Vielerorts kann zudem das, was kindgerechte Schule ausmacht, das Lernen in wechselnden Gruppen und an Projekten, nicht umgesetzt werden.“

Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, sieht zwar inzwischen deutlich mehr Normalität an den Schulen als noch vor den Sommerferien. „Es ist trotzdem ein Corona-Schuljahr bis jetzt.“ Schramm wies etwa auf Quarantäne-Anordnungen bei Schülern hin. Außerdem werde es zunehmend kälter. „Wir erleben jetzt wieder immer mehr die Situation mit Winterjacke im Unterricht.“ Der Schülervertreter kritisierte, es gebe immer noch zu wenig Luftfilter. Damit könnte man das Lüften besser regulieren und „ein wenig dieses Frieren der Schülerinnen und Schüler abwenden“.

Lehrerverbands-Chef Meidinger sagte, er hoffe auf eine baldige Möglichkeit zur Impfung für Kinder unter zwölf Jahren. „In dem Augenblick, wo alle Schülerinnen und Schüler ein Impfangebot erhalten haben und wahrnehmen konnten, ist an den Schulen die weitgehende Aufhebung von Gesundheitsschutzmaßnahmen wie etwa der Maskenpflicht möglich und auch verantwortbar.“ Ab diesem Zeitpunkt falle die Verantwortung für eine Erkrankung von Nichtgeimpften in den privaten persönlichen Verantwortungsbereich jedes Einzelnen.

© dpa-infocom, dpa:210923-99-330900/4

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