Berlin (dpa)
Berliner Wahlpannen und kein Ende? Wahlleiterin gibt auf
Die Kritik an der Organisation der Wahlen in Berlin ist immer lauter geworden. Landeswahlleiterin Petra Michaelis zieht die Konsequenzen. Sie bittet den Senat um Abberufung.
Am Ende war es doch zu viel. Immer mehr Pannen bei den Wahlen am Sonntag in Berlin wurden bekannt: lange Warteschlangen, Stimmabgaben um 20.00 Uhr, fehlende Stimmzettel und nun auch noch tausende möglicherweise ungültige Stimmen wegen falsch ausgegebener Zettel.
Nach einigen Tagen mit Erklärungsversuchen und Entschuldigungen stellte Landeswahlleiterin Petra Michaelis ihr Amt am Mittwoch zur Verfügung. Der Senat möge sie nach Feststellung der endgültigen Wahlergebnisse Mitte Oktober abberufen und einen Nachfolger bestimmen, erklärte sie.
Noch am Montag nach den Wahlen und dem Volksentscheid in Berlin - mit fünf Stimmzetteln und sechs Kreuzen war es recht kompliziert - hatte Michaelis einen Rücktritt abgelehnt. Am Dienstagabend bat sie dann um Entschuldigung. Gleichzeitig betonte sie aber: „Wenn da was schiefgegangen ist, dann muss ich leider sagen, sind es die Bezirkswahlämter gewesen“. Formal gesehen trifft das zu. Am Mittwoch reichte das aber nicht mehr. Michaelis musste eingestehen: „Ich übernehme die Verantwortung im Rahmen meiner Funktion als Landeswahlleiterin für die Umstände der Wahldurchführung am 26.09.2021.“ Die höher gestellte Verwaltungsbeamtin kann sich künftig wieder ihrem eigentlichen Job widmen.
Dass die Wahlen am selben Tag wie der Berlin-Marathon stattfanden, war wegen vieler gesperrter Straßen schon nicht glücklich. Der Ablauf von Bundestagswahl, Abgeordnetenhauswahl, Wahl zu Bezirksparlamenten sowie Volksentscheid an einem Tag sorgte schnell für Unruhe: Fotos und Berichte von Warteschlangen kursierten im Internet; Kritiker sprachen schnell von Chaos.
Vor manchen Wahllokalen zogen sich Warteschlangen um den halben Block. Drinnen brauchten Wähler für ihre sechs Kreuze mehrere Minuten. Es fehlten ausreichend Wahlkabinen. Wähler mussten zum Teil bis weit in den Abend nach 18.00 Uhr warten, um ihre Stimmen abzugeben. In manchen Wahlkreisen mussten Stimmzettel per Boten nachgeordert werden, die Wähler warteten derweil.
Falsche Stimmzettel in vielen Wahllokalen?
Rechtsprofessor Christian Waldhoff von der Humbold-Universität, der selbst Wahlhelfer war, schrieb im Internetforum „Verfassungsblog“ von „professionellem Versagen“ und „gravierendem Organisationsverschulden der Landeswahlleitung“. Es sei vorhersehbar gewesen, dass Wähler wegen der fünf Stimmzettel und sechs Stimmen deutlich mehr Zeit brauchen würden. Dass Stimmzettel ausgegangen seien, sei „beispiellos und unerklärbar“. Die Vorkommnisse seien rechts- und damit auch verfassungswidrig. Die Pannen in der Hauptstadt eines der wichtigsten, reichsten und entwickeltsten Länder der Erde seien nicht nur „peinlich, sondern zugleich ein gravierendes Demokratieproblem“.
Der Sender RBB berichtete am Mittwoch, in mindestens 99 Wahllokalen seien auffällig viele Stimmzettel ungültig gewesen. Es gehe um mindestens 13.120 Stimmen bei allen Wahlgängen. Vermutlich hätten die Wähler falsche Stimmzettel aus anderen Bezirken erhalten.
Der Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin, Geert Baasen, bestätigte, es habe Lieferungen falscher Stimmzettel gegeben. Das sei schon vor dem Wahltag im Zusammenhang mit der Briefwahl bekannt gewesen. Es sei ein großes Problem gewesen, dass die Stimmzettel nicht so verpackt gewesen seien, „wie sie verpackt sein sollten“. Alle Bezirke seien daher extra darauf hingewiesen worden.
Zudem hätten die Wahlhelfer „ganz, ganz viel machen müssen, Corona- und Hygienemaßnahmen und ganz viele Dokumente lesen“, sagte Baasen. „Es war ungeheuer schwierig mit dieser verbundenen Wahl, mit diesen unterschiedlichen Wahlberechtigungen, auf die man achten musste, bei der Stimmzettelausgabe und bei der Auszählung hinterher.“ Geklappt hat das offenbar nicht überall.
Immer lauter werden nun Stimmen, die fragen, ob Teile der Wahlen in Berlin wiederholt werden müssen. Bis Anfang Oktober soll ein Pannenbericht vorliegen. Anfechten lässt sich die Wahl dann erst nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses am 14. Oktober.
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