Rom (dpa)
Dämpfer für Populisten: Roms Bürgermeisterin Raggi abgewählt
Bei den Kommunalwahlen in Italien gehen die Mitte-Links-Parteien als Sieger hervor. In Rom wird Fünf-Sterne-Bürgermeisterin Raggi krachend abgewählt. Die Populisten rechts und links kassieren Dämpfer.
Im Juni 2016 stand Virginia Raggi mit grün-weiß-roter Schärpe auf dem Balkon des Rathauses von Rom und weinte vor Glück und Fassungslosigkeit. Fünf Jahre später ist die Hoffnungsträgerin der Fünf-Sterne-Bewegung, die als erste Frau an der Spitze Roms ein Symbol des Abschieds der alten Polit-Kaste in Italien sein sollte, krachend abgewählt worden.
Bei den Kommunalwahlen am Sonntag und Montag verpasste Raggi einen der ersten beiden Plätze deutlich, der zur Stichwahl in zwei Wochen nötig war. Mit nicht einmal 20 Prozent der Stimmen jagten sie die Römer aus dem Palazzo del Campidoglio.
Raggi stolperte in der Hauptstadt über ganz konkrete Probleme, fand beispielsweise keine Lösung gegen das allgegenwärtige Müll-Problem, konnte die kaputten Straßen nicht flicken und wurde vom politischen Gegner sogar für immer mehr herumstreunende Wildschweine mitten in der Stadt verantwortlich gemacht. Dass in Raggis Amtszeit hart gegen den gefährlichen Mafia-Clan der Casamonica vorgegangen wurde und die Bürgermeisterin nach Morddrohungen unter Polizeischutz gestellt wurde, wog beim Fazit der Kommentatoren die Versäumnisse nicht auf.
„Ciao Virgì“, rief die ultrarechte Partei Fratelli d'Italia in einem hämischen Instagram-Beitrag Raggi hinterher. In einer Foto-Collage ist dabei auch Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte zu sehen, wie er sich die Hand vor Augen und Stirn hält. Tatsächlich kassierte die vor gut zehn Jahren vom Kabarettisten Beppe Grillo gegründete Bewegung heftige Verluste, italienische Medien schrieben vom „Zusammenbruch“. Neben Rom verlor die Partei auch den Bürgermeisterposten in Turin.
Salvini ist nicht mehr der Star der Rechten
Aber auch andere Populisten erhielten Dämpfer, etwa der frühere Innenminister Matteo Salvini, dessen Lega von den Fratelli d'Italia um Parteichefin Giorgia Meloni rechts überholt wurde. In Rom und Turin schafften es die Kandidaten von Mitte-Rechts zwar in die Stichwahl, sind dort aber Außenseiter. Weil Mailand und Neapel schon im ersten Wahlgang an Mitte-Links gingen, dürften die Rechten am Ende keinen Bürgermeister in den vier größten Städten des Landes stellen.
„Wir haben gezeigt, dass die Rechte schlagbar ist“, sagte der Chef der Sozialdemokraten, der frühere Ministerpräsident Enrico Letta, als Wahlsieger triumphierend. Seine Rivalin Meloni machte daraus prompt eine - vergiftete - Kampfansage: „In Demokratien siegt man oder wird besiegt. Die Frage ist, ob man sich traut, anzutreten. Wir ja!“
Meloni hat einen politisch brisanten Hintergedanken: Sie sagte den Sozialdemokraten zu, Anfang 2022 den jetzigen Ministerpräsidenten Mario Draghi zum Staatspräsidenten zu wählen. Das Szenario, dass der aktuell so erfolgreiche und resolute Regierungschef zum ersten Bürger des Landes befördert werden soll, geistert seit Wochen durch Rom.
Im Gegenzug aber müsse Letta sofortigen Neuwahlen des Parlaments zustimmen. „Dann messen wir uns auf offenem Feld, bei freien Wahlen“, sagte Meloni mit funkelnden Augen. Wer dann gewinne, dürfte fünf Jahre regieren, „ohne dass uns jemand aus der europäischen Clique eine Regierung auferlegt“. Ihr Kalkül ist klar: Nach dem Dämpfer hat Meloni das große Comeback der Nationalisten und Populisten im Blick.
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