Wien (dpa)
U-Ausschuss zum Korruptionsverdacht gegen regierende ÖVP
Nach der Staatsanwaltschaft will auch das Parlament die umstrittenen Vorgänge rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz durchleuchten. Die Opposition meint, bisher sei nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss will die mutmaßlichen Machenschaften von Österreichs konservativem Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinem Team unter die Lupe nehmen.
Der „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“ solle idealerweise im November eingesetzt werden, erklärten Vertreter der Opposition am Mittwoch in Wien. Es sei bisher nur die Spitze des Eisbergs sichtbar geworden, sagte der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer.
Die Parlamentarier wollen wissen, ob der ehemalige Regierungschef seinen Aufstieg mit geschönten Umfragen befördert hat, es zu Postenschacher gekommen ist und wie weit Einfluss auf Ermittlungen der Justiz genommen wurde. Damit werden alte Vorwürfe aus dem abgeschlossenen Ibiza-Untersuchungsausschuss sowie neue Verdachtsmomente thematisiert.
„Die ÖVP hat weit mehr in die Mechanismen des Staates eingegriffen, als man eigentlich befürchtet hat“, meinte der rechte FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker. Es gehe darum, „dass dieses Systems des Machtkalküls ein Ende haben muss“, sagte der liberale Neos-Abgeordnete Nikolaus Scherak.
Die ÖVP reagierte skeptisch. „Es gibt berechtigte Zweifel, ob es im U-Ausschuss wirklich seriöse Aufklärung gibt“, sagte der ÖVP-Parlamentarier Andreas Hanger. Seit 2015 kann auch die parlamentarische Minderheit einen U-Ausschuss beantragen. Eine Zustimmung der ÖVP ist also nicht nötig.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen insgesamt zehn Verdächtige wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Das Team um Kurz soll die Karriere des 35-Jährigen durch eine Zusammenarbeit mit einem Medienhaus, die auch aus Steuergeldern finanziert wurde, organisiert haben. Kurz, der am Samstag sein Amt als Regierungschef aufgegeben hat, und das Medienhaus bestreiten die Vorwürfe.
Laut Medien wurde am Dienstag eine Meinungsforscherin festgenommen, die eine zentrale Rolle in der Affäre um geschönte Umfragen spielen soll. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hielt sich weiterhin bedeckt und bestätigte unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen und Persönlichkeitsrechte die Festnahme nicht.
Grundsätzlich kann eine tatverdächtige Person bis zu 48 Stunden zwangsweise festgehalten werden. Die WKStA müsste bis Donnerstagfrüh beim Wiener Landgericht für Strafsachen einen Antrag auf Untersuchungshaft stellen, falls sie die weitere Inhaftierung der Verdächtigten für unumgänglich hält.
© dpa-infocom, dpa:211013-99-584987/3