Berlin (dpa)
Landeswahlleitung will Einspruch gegen Berlin-Wahl einlegen
Am Superwahltag lief in Berlin so manches nicht rund. Die Republik schüttelte über die Hauptstadt den Kopf. Nun steht fest: Ausgestanden ist die Sache noch lange nicht.
Die zahlreichen Pannen und Probleme bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September haben ein juristisches Nachspiel.
Die Landeswahlleitung kündigte Einspruch gegen Wahlergebnisse beim Berliner Verfassungsgerichtshof an. In zwei Wahlkreisen habe es Rechtsverstöße gegeben, die Auswirkungen auf die Mandatsverteilung haben könnten, sagte Landeswahlleiterin Petra Michaelis bei einer Sitzung des Wahlausschusses. Möglich ist dort nun eine Wiederholung der Wahl. Darüber muss der Verfassungsgerichtshof nach Prüfung der Vorgänge entscheiden.
Der Einspruch bezieht sich zum einen auf den Wahlkreis 6 im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, wo zunächst die SPD-Politikerin Franziska Becker als Siegerin gekürt wurde und nach einer Nachzählung dann der Grüne Alexander Kaas-Elias. Betroffen ist zudem der Wahlkreis 1 im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, in dem der AfD-Politiker Gunnar Lindemann das Direktmandat holte. In beiden Wahlkreisen ist bei den Erststimmen der Abstand zwischen Erst- und Zweitplatziertem sehr gering.
„In diesen Fällen könnten sich Unregelmäßigkeiten mandatsrelevant ausgewirkt haben“, sagte Michaelis. Als Beispiele nannte sie falsch ausgegebene Stimmzettel oder die zeitweise Schließung von Wahllokalen wegen fehlender Stimmzettel. Auch die Berliner AfD kündigte bereits Einspruch gegen die Berlin-Wahl an, zudem die Satire-Partei Die Partei. Möglich ist das erst nach Veröffentlichung des Endergebnisses im Amtsblatt. Das kann laut Wahlleitung bis zu drei Wochen dauern.
Sollte in den fraglichen Wahlkreisen tatsächlich neu gewählt werden, kann das je nach Ergebnis mehr oder weniger Auswirkungen auf die Zusammensetzung des 147 Abgeordnete umfassenden Landesparlamentes haben. Neu zu vergeben wären zwei Direktmandate, betroffen wäre auch das Zweitstimmenergebnis. In beiden Wahlkreisen zusammen könnten gut 62 000 Menschen abstimmen, also etwa 2,5 Prozent aller Berliner Wahlberechtigten.
Insgesamt kam es bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in 207 von 2257 Wahllokalen (etwa neun Prozent) zu Unregelmäßigkeiten, wie Michaelis weiter mitteilte. „Das ist eine Zahl, die uns alle erschrecken muss und auch ärgern muss“, sagte sie. Andererseits könne sie feststellen, dass die Wahl in über 2000 Wahllokalen problemlos abgelaufen sei.
Michaelis trug eine Liste mit Angaben dazu vor, was alles schief gelaufen ist. Dazu zählten Verzögerungen bei der Zusendung von Briefwahlunterlagen, falsche oder fehlende Stimmzettel. In 56 Wahllokalen wurden zeitweise keine Stimmzettel ausgegeben, obwohl sie vorhanden waren. Als Ursache vermutete Michaelis ein Versehen oder eine Überforderung der Wahlvorstände.
Als weiteres Problem nannte Michaelis lange Schlangen vor Wahllokalen. 1773 Wahllokale hatten länger geöffnet als üblich, so dass Wähler, die bis 18.00 Uhr vor Ort waren, noch ihre Stimmen abgeben konnten - in Einzelfällen bis kurz vor 21.00 Uhr. Hierbei handelt es sich indes nicht um einen Wahlfehler, so Michaelis.
Am 26. September wurde in Berlin nicht nur das Abgeordnetenhaus gewählt, sondern die Bürger gaben auch für den Bundestag und zwölf Bezirksverordnetenversammlungen ihre Stimmen ab. Außerdem konnten die Wähler bei einem Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen abstimmen. Hinzu kam der Berlin-Marathon am selben Tag, der beispielsweise eilig organisierte Nachlieferungen fehlender Stimmzettel zusätzlich ausbremste.
Gleichwohl stellte der Wahlausschuss das endgültige Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl fest. Im Vergleich zum vorläufigen Ergebnis, das am 27. September verkündet worden war, ergaben sich nur marginale Veränderungen ohne Auswirkung auf die Mandatsverteilung. Allerdings änderten sich bei CDU, Linken und FDP die Prozentwerte bei den Zweitstimmen hinter dem Komma um je 0,1 Punkte.
Laut Endergebnis kam die SPD als stärkste Kraft auf 21,4 Prozent der Zweitstimmen. Es folgen die Grünen mit 18,9 Prozent und die CDU mit 18,0 Prozent. Die Linke erreichte 14,1 Prozent, die AfD 8,0 Prozent und die FDP 7,1 Prozent. Die 147 Sitze im Abgeordnetenhaus verteilen sich wie folgt: SPD 36, Grüne 32, CDU 30, Linke 24, AfD 13 und FDP 12. Die Wahlbeteiligung betrug 75,4 Prozent.
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