Abuja/Berlin (dpa)

Deutschland will sämtliche Benin-Bronzen übereignen

Sam Olukoya, Kristin Palitza und Gerd Roth, dpa
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Von Sam Olukoya, Kristin Palitza und Gerd Roth, dpa
| 14.10.2021 18:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Benin-Bronzen im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Benin-Bronzen im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
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Die Benin-Bronzen sind ein Symbol für Raubgut aus kolonialen Zeiten. Nun will Deutschland die Eigentumsrechte an den wertvollen Kunstobjekten überschreiben. Das ist nur ein erster Schritt.

Mit einem beispiellosen Schritt will Deutschland die Eigentumsrechte an den als Raubgut aus der Kolonialzeit geltenden Benin-Bronzen den nigerianischen Verhandlungspartnern übereignen.

In einer Absichtserklärung (Memorandum of understanding) wurden die Eckpunkte dafür von Vertretern beider Seiten in der nigerianischen Hauptstadt Abuja unterzeichnet. Zudem sind weiter „substanzielle Rückgaben“ vorgesehen. Einzelheiten sollen beim nächsten Treffen voraussichtlich im Dezember vereinbart werden, wie die Deutsche Presse-Agentur in Berlin aus der Verhandlungsdelegation erfuhr.

Die kunstvollen Benin-Bronzen stehen aktuell im Zentrum heftiger Debatten um Rückgaben. Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897. Es sind Kunstwerke aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin. Rund 1100 Bronzen sind in zahlreichen deutschen Museen zu finden, auch im Berliner Humboldt Forum sollen sie gezeigt werden. Die wichtigsten Bestände sind zu finden im Linden-Museum (Stuttgart), dem Museum am Rothenbaum (Hamburg), dem Rautenstrauch-Joest-Museum (Köln), den Völkerkundemuseen Dresden/Leipzig sowie dem Ethnologischen Museum in Berlin.

Die Absichtserklärung sei von der deutschen Delegation und nigerianischen Vertretern am Mittwoch in Abuja unterzeichnet worden, teilte der Informations- und Kulturminister des westafrikanischen Landes, Alhaji Lai Mohammed, am Donnerstag mit. „Die deutsche Regierung und das deutsche Volk haben einen mutigen Schritt gemacht, indem sie sich bereit erklärt haben, die Artefakte freiwillig und ohne großen Zwang von Seiten Nigerias zurückzugeben“, sagte der Minister.

Für das Auswärtigen Amt hatte der für Kulturpolitik zuständige Abteilungsleiter Andreas Görgen die Gespräche geleitet. „Wir wollten den Weg auch mit Blick auf eine neue Bundesregierung vorbereiten, damit dann auf politischer Ebene eine Vereinbarung getroffen werden kann über den Zeitplan, über die Frage der Regulierung der Objekte und über die Unterstützung, die wir leisten wollen in dem großen Feld der Zusammenarbeit, das eben von Archäologie über Ausbildung von Museumsmanagern über mögliche Investitionen in kulturelle Infrastruktur bis zu Rückgaben geht“, sagte Görgen der dpa.

„Wir sind uns einig, dass der zu Rückgaben führende Prozess im zweiten Quartal des nächsten Jahres mit Eigentumsübergang an den Objekten beginnen soll.“ Zudem gebe es eine Übereinstimmung mit allen nigerianischen Seiten, dass alle daran interessiert seien, dass weiterhin Objekte in Deutschland gezeigt werden. „Das war auch ein nigerianischer Wunsch.“

Restitution ist erst der Anfang

Die Zusammenarbeit solle sich nicht nur auf die Restitution und Zirkulation beziehen, sondern auch Zusammenarbeit in der Archäologie, Engagement in der kulturellen Infrastruktur und Ausbildung von Museumsmanagerinnen und -managern umfassen.

Aus Sicht von Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der auch das Ethnologische Museum Berlin gehört, steckt „eine ziemliche Dynamik“ in den Gesprächen. „Wir erwarten im Dezember noch einen Gegenbesuch, das ist eine sehr dichte Taktung und wird immer konkreter.“ Geplant sei eine Kooperation, die viele Aspekte umfasse. „Es geht nicht allein um Rückgaben, sondern auch darum, eine ganz neue Form der Zusammenarbeit für die Zukunft zu entwickeln. Restitution ist der Beginn und nicht das Ende einer Zusammenarbeit“, sagte Parzinger der dpa.

Gleichzeitig sei wegen der komplizierten Verhältnisse in Deutschland klar: „Die jeweiligen Museen und deren Träger, Länder oder Kommunen, entscheiden natürlich selbst über ihre Sammlungen.“ Zunächst konzentrieren sich die Bemühungen auf die fünf deutschen Museen mit größeren Beständen an Benin-Bronzen und deren Träger.

„Wir wollen im Laufe des nächsten Jahres mit Eigentumsübertragungen beginnen“, sagte Parzinger. Beide Seiten seien sich einig, dass Benin-Bronzen weiterhin in deutschen Museen gezeigt werden sollen. Das stehe auch in der gemeinsamen Erklärung. „Welche und unter welchen Umständen, das muss in der weiteren Zusammenarbeit noch im Detail herausgearbeitet werden und bedarf des Einverständnisses der nigerianischen Seite.“ Es gehe nicht nur um Rückgabe, sondern auch um Partnerschaft und Austausch.

Parzinger sieht auch Perspektiven für andere Verhandlungen: „Das könnte ein Modell werden für den Umgang mit kolonialer Raubkunst, bei dem auf der Basis einer schwierigen Vergangenheit zukunftsweisende Wege entwickelt werden.“

Die Leiterin der Benin Dialog Gruppe, Barbara Plankensteiner, sagte der dpa: „Wir haben eine für beide Seiten sehr gute Lösung erreicht.“ Auch die nigerianische Seite sei sehr bemüht, alle Parteien ins Boot zu holen und ein gemeinsames Vorgehen zu sichern.

Die Gruppe ist ein informeller Zusammenschluss aller Museen in Europa, die große Benin-Sammlungen haben. „In jedem Land ist die Situation eine andere“, sagte Plankensteiner, die auch Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum ist. „Wir werden jetzt darüber berichten. Dieser erste wichtige Schritt wird vielleicht andere inspirieren. Einige werden auch beobachten und schauen, wie sich das weiterentwickelt. In jedem Land gibt es ja andere Rahmenbedingungen für die unterschiedlichen Museen.“

In Deutschland werde nun mit den beteiligten Museen besprochen, wie das in den verschiedenen Bundesländern umgesetzt werden könne. „Im Prinzip gibt es schon ein Einvernehmen, aber es braucht noch die politischen Entscheidungen dafür. Das muss noch konkretisiert werden.“ Deswegen werde im Dezember auch eine nigerianische Delegation zu Besuch kommen, „die in direkte Gespräche mit den einzelnen Häusern treten wird“, sagte Plankensteiner.

© dpa-infocom, dpa:211014-99-599471/4

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