Berlin (dpa)
CDU fordert Machtwort zu Atombomben in Deutschland
In den 80er Jahren waren noch 7000 Atomwaffen in beiden Teilen Deutschlands stationiert. Heute sind nur noch etwa 20 übrig. SPD-Spitze und Grüne würden sie am liebsten loswerden. Nun geht es darum, was aus diesem Wunsch wird.
Die CDU fordert von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein klares Bekenntnis zum Verbleib der US-Atomwaffen in Deutschland.
Forderungen der SPD-Spitze und der Grünen nach einem Abzug der mutmaßlich auf dem Fliegerhost Büchel in Rheinland-Pfalz lagernden Bomben nannte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadepuhl im Bundestag am Donnerstag „brandgefährlich“. Sie seien Sicherheitsrisiko auch für die osteuropäischen Bündnispartner.
„Es ist dringend geboten, dass sich Kanzlerkandidat Scholz eindeutig positioniert und ein Machtwort spricht“, sagte Wadephul der Deutschen Presse-Agentur. „Sollten die Ampel-Koalitionäre einen Ausstieg Deutschlands aus der nuklearen Teilhabe beschließen oder auch nur Schritte in die Richtung, dann würde dies die Sicherheitsarchitektur Europas erheblich verändern.“
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnte vor verheerenden Folgen eines Abzugs der US-Atomwaffen für die Partnerschaft zu den USA. „Das könnte einen Dominoeffekt in anderen Nato-Staaten mit Nuklearwaffen wie Belgien oder den Niederlanden zur Folge haben oder gar zur nuklearen Rüstung in anderen europäischen Nato-Staaten führen. Dann zerbricht die transatlantische Partnerschaft“, sagte er der dpa.
Auch der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte davor, die deutsche Beteiligung an der atomaren Abschreckung der Nato infrage zu stellen. Ein Abzug aus Deutschland würde schwerwiegende Folgen für die Sicherheit in Europa haben: „Den Polen ziehen wir sicherheitspolitisch den Teppich unter den Füßen weg, wenn Deutschland aus der nuklearen Abschreckung aussteigt.“
Polen könnte dann auf einer Stationierung von Atombomben auf seinem Territorium bestehen, warnte Ischinger. „Eine aktive polnische Rolle bei der nuklearen Abschreckung der Nato hätte dann wiederum Folgen in Moskau, über die ich gar nicht nachdenken möchte“, sagte er. „Meine Vermutung ist, die Folgen wären katastrophal. Die Nato würde nuklear noch näher an Russland heranrücken.“
Auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz sind Schätzungen zufolge noch 20 US-Atombomben stationiert, die im Ernstfall von Bundeswehr-Kampfjets abgeworfen werden sollen. Sowohl die Partei- und Fraktionsführung der SPD als auch die Grünen haben sich in der Vergangenheit für einen Abzug dieser Nuklearwaffen stark gemacht. Damit würde sich Deutschland aus der nuklearen Abschreckung der Nato zurückziehen. Das Thema wird in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP eine Rolle spielen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte erst vergangenes Wochenende Äußerungen der scheidenden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kritisiert, die sich zur deutschen Beteiligung an der atomaren Abschreckung der Nato bekannt hatte. Er warf ihr vor, an der „Eskalationsschraube“ mit Russland zu drehen. Mützenich ist ebenso wie die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter Borjans für einen Abzug der US-Atombomben.
Diese Haltung ist in der SPD aber umstritten. SPD-Außenminister Heiko Maas hat sich zur deutschen Beteiligung an der nuklearen Abschreckung der Nato bekannt. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich im Wahlkampf aus dem Thema herausgehalten.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat dagegen vor der Wahl Position bezogen. Sie hatte angekündigt, in Regierungsverantwortung auf einen Abzug der US-Atombomben aus Deutschland dringen zu wollen. Eine neue Bundesregierung müsse mit Blick auf die Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und Russland deutlich machen: „Natürlich müssen Teil dieser Abrüstung auch die amerikanischen Atomwaffen hier in Deutschland und in Gesamteuropa sein“, hatte sie gesagt. Die Grünen haben Wurzeln in der Anti-Atomwaffen-Bewegung der 80er Jahre.
Rund einen Monat nach der Bundestagswahl hatten SPD, Grüne und FDP am Mittwoch Verhandlungen über die konkreten Details ihrer geplanten gemeinsamen Regierungsarbeit aufgenommen. Bis zum 10. November sollen 22 Arbeitsgruppen Bausteine für einen Koalitionsvertrag ausarbeiten. In der Woche ab dem 6. Dezember soll der neue Kanzler - voraussichtlich Olaf Scholz (SPD) - gewählt und die neue Regierung gebildet werden. Die derzeitige schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist so lange geschäftsführend im Amt.
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