Hilfe für die Flutopfer
„Retter und Mutmacher“ für das Auenland
Zoran und Monika Medic haben 17 Jahre Herzblut in ihren Jugend- und Familienhof gesteckt. Bei der Flutkatastrophe wurde alles zerstört. „Ein Herz für Ostfriesland“ unterstützt sie beim Neuaufbau.
Gemeinsam mit der Aachener Zeitung sammelt diese Zeitung Geld für die Betroffenen der Flutkatastrophe in Stolberg und Eschweiler. In diesem Text wird das dritte Projekt vorgestellt, das vom Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“ mit einer Spende von 58.932,24 Euro unterstützt wird. Stolberg/Eschweiler - Zoran und Monika Medic brennen für ihre Sache. Das merkt man, sobald man das Gelände in der Nähe von Stolberg und Eschweiler betritt, das noch vor wenigen Wochen ein ganz besonderer Ort namens Auenland war. Bei der Flutkatastrophe am 15. Juli wurde auf dem großen idyllischen Grundstück, durch das ein scheinbar harmloser Bach fließt, so gut wie alles zerstört. Es lässt sich heute nur erahnen, wie es hier vorher einmal ausgesehen haben muss. Überall liegen noch immer Trümmerteile, Pflanzenreste und diverse Bruchstücke von dem, was das Wasser übrig ließ.
Über 17 Jahre Herzblut stecken in dem Jugend- und Familienhof des Ehepaares. Die Devise: „Anderssein ist normal“, sagt Ragnhild Lommen. Sie ist die Vorsitzende des Fördervereins des Auenlandes und hat hier viele Jahre als Sozialpädagogin gearbeitet. Damals, so erzählt sie, bekamen auf dem Hof Jugendliche eine Chance, die es auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht so leicht hatten. Etwa, weil sie in problematischen Familien aufgewachsen sind und nur wenig Unterstützung von ihren Eltern bekamen. Diese Unterstützung gab es dann im Auenland.
Eine Ausbildung für Jugendliche, die sonst keine Chance hatten
„Wir konnten diesen Jugendlichen bei uns eine vollwertige Lehre und sozialpädagogische Begleitung bieten“, erklärt Zoran Medic. Diese Begleitung habe sich etwa in Form von Schuldnerberatung, der Vermittlung von Praktika und Lehrstellen oder genereller Unterstützung bei der Ausbildung gezeigt. „Wenn die Jugendlichen hier bei uns waren, konnten sie auch verschiedene Gewerke kennenlernen und ihre eigenen Stärken finden.“ Viele dieser Jugendlichen hätten ihre Lehre sogar im Auenland gemacht. Stolz zeigt Zoran Medic die verschiedenen Projekte, die er gemeinsam mit seinen Auszubildenden umgesetzt hat. „Bei uns haben es die Jungs und Mädels teilweise das erste Mal in ihrem Leben geschafft, wirklich durchzuziehen. Es gibt ja welche, die fangen etwas an und brechen direkt wieder ab. Wir hatten aber wirklich viele, die hier angefangen sind und danach auch eine Perspektive hatten. Also zum Beispiel noch einmal zur Schule gegangen sind oder durch ein Praktikum dann an eine Lehre gekommen sind“, erinnert sich die Sozialpädagogin Ragnhild Lommen.
Neben der Ausbildung und Betreuung der Jugendlichen war das Auenland aber auch ein Rückzugsort für unterschiedliche Menschen mit verschiedensten Bedürfnissen. Etwa für Schulklassen, Kindergärten oder Sportvereine – vor allem aber für Kinder und Jugendliche, die körperliche oder seelische Einschränkungen haben. „Wir hatten hier viele Förderklassen, die sonst in Jugendherbergen überhaupt nicht die Möglichkeit hatten, aufgenommen zu werden. Die haben hier übernachtet. Hier durften sie laut sein, hier haben sie niemanden gestört. Hier konnten sie einfach mal abschalten“, so Lommen.
„Nur Beerdigungen hatten wir hier nie“
Auch Eltern mit ihren beeinträchtigten Kindern waren bei den Medics immer herzlich willkommen: „Die Kinder konnten sich hier einfach mal so richtig austoben. Die Eltern brauchten keinem zu erklären, warum ihr Kind so ist, wie es ist“, erklärt Zoran Medic, der weiß, wovon er spricht. Denn er und seine Frau haben selbst zwei Kinder mit Behinderungen und kennen daher die Hürden und Schwierigkeiten, die die Familien belasten.
Bei einem Rundgang über das zerstörte Gelände wird klar, was für ein zauberhafter Ort das Auenland einmal war. In den Bäumen gibt es einen Hochseilgarten, auf der großen Wiese hinter dem Hauptgebäude stehen noch die Reste großer Tipis, in denen die Gäste übernachten konnten, und im Gebüsch an der Grundstückgrenze hängt die riesige Plane eines Zirkuszelts, das für zahlreiche Besucher über Jahre hinweg etwas ganz Besonderes war. Außerdem habe es Ferienbetreuungen, diverse Feste wie Hochzeiten, Taufen oder Geburtstage im Auenland gegeben. „Nur eine Beerdigung hatten wir hier nie“, sagt Medic lachend.
Nach der Kündigung kam Corona
Doch 2016 kam dann der erste Dämpfer. Der Wasserverband kündigte den Pachtvertrag mit den Medics für das Jahr 2024, da auf dem Gelände des Auenlandes paradoxerweise ein Hochwasserschutzbecken entstehen sollte, berichtet das Ehepaar. Als klar war, dass sie würden umziehen müssen, hätten sie die Projekte mit den Jugendlichen eingestellt, da sie nicht wussten, wie lang sie noch am alten Standort würden bleiben können. Bis zum Umzug wollten sie sich daher auf die Erlebnispädagogik mit Schulklassen, Kindergärten sowie mit Menschen mit Behinderungen konzentrieren. Das hat auch prima geklappt, bis Corona dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machte. Gruppenbuchungen blieben aus und auch die Beherbergung von Familien war lange Zeit nicht möglich, so Monika Medic.
Das Ehepaar nutzte dann gemeinsam mit dem Förderverein die Zeit, um an Plänen für den Umzug zu arbeiten. „Wir wollen am neuen Standort auch wieder Ausbildungen anbieten“, sagt Zoran Medic. Diesmal aber nicht für Jugendliche, sondern für Menschen mit Behinderungen: „Uns ist es wichtig, dass man die Leute in den Betrieb integriert. Dass sie im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten als Festangestellter eine gute Arbeitsstelle finden, wo sie sich auch wohlfühlen.“ Außerdem solle es nach dem Umzug einen entlastenden Dienst für die betroffenen Familien geben, damit die Eltern auch mal einen Nachmittag abschalten können, ohne in Sorge um die eigenen Kinder zu sein.
„Das macht uns noch mal richtig Mut!“
Als diesen Sommer nach der Corona-Zwangspause endlich wieder Normalität einkehrte, bereitete sich das Team des Auenlandes mit Eifer darauf vor, wieder Gäste empfangen zu können. „Wir haben hier wirklich tagelang alles wieder schön gemacht für die Gäste. Das sah hier wirklich aus wie im Märchengarten“, erinnert sich Monika Medic mit Tränen in den Augen. Von diesem Märchengarten ist nichts übrig geblieben. Denn nur zwei Wochen nach der Öffnung kam das Hochwasser. Den Medics und auch Ragnhild Lommen steckt ein sichtlich dicker Kloß im Hals, als sie versuchen, die Ereignisse der Hochwassernacht zu beschreiben. Über die Videos der Überwachungskamera hätten Zoran und Monika Medic in Echtzeit mitverfolgt, wie das Wasser immer höher und höher gestiegen sei, bis das Bild schließlich abbrach – das Wasser hatte die Kamera erreicht und die Elektronik zerstört.
Neben dem emotionalen Verlust, den das Hochwasser verursacht hat, wurde außerdem ein riesiges Loch in den Finanzierungsplan für den geplanten Umzug des Auenlandes gerissen. „Insgesamt fehlen uns 300.000 Euro“, sagt Monika Medic. Darunter 100.000 Euro für Inventar, das durch die Wassermassen weggespült oder zerstört wurde, sowie 200.000 Euro, die aus den Einnahmen bis zum geplanten Umzug 2024 hätten eingehen sollen. Das Auenland habe sich stets selbst finanziert, eine solch große Finanzierungslücke sei aber unmöglich selbst zu stemmen. „Wenn wir nicht wirklich von dieser Sache überzeugt wären, hätten wir es schon nach Corona aufgegeben“, sagt Zoran Medic.
Die Spende aus Ostfriesland sei für das Auenland „Retter und Mutmacher“ zugleich, so Ragnhild Lommen. Nach wochenlanger Aussichtslosigkeit und dem Gefühl, mit den Problemen allein gelassen zu werden, habe der Verein nun das erste Mal das Gefühl, dass es wieder vorangehen könne. „Das ist ja auch nicht selbstverständlich. 400 Kilometer Entfernung und es wird trotzdem eine so große Solidarität gezeigt. Das geht einem wirklich nahe und zu Herzen.“ Auch die Medics zeigen sich sichtlich berührt und dankbar über die Spende: „Das macht uns noch mal richtig Mut!“
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