Frankfurt/Main (dpa)
Deutsche Bank: Wynaendts soll 2022 Aufsichtsratschef werden
Die Zeit der Spekulationen ist beendet: Die Deutsche Bank hat einen Nachfolger für Aufsichtsratschef Paul Achleitner ausgeguckt. Die Personalie ist eine Überraschung.
Die Deutsche Bank präsentiert einen Nachfolger für ihren scheidenden Aufsichtsratschef Paul Achleitner - und landet damit einen Überraschungscoup.
Alexander (Alex) Wynaendts soll Achleitner nach der Hauptversammlung am 19. Mai 2022 beerben, wie Deutschlands größtes Geldhaus am Freitagabend in Frankfurt mitteilte.
Der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrates empfehle, den Aktionären bei der Hauptversammlung im nächsten Jahr Wynaendts zur Wahl in das Kontrollgremium vorzuschlagen. „Es ist beabsichtigt, ihn im Anschluss zum Vorsitzenden und damit zum Nachfolger von Paul Achleitner zu wählen“, heißt es in der Mitteilung. Der Aufsichtsrat folgte am Sonntag der Empfehlung des Nominierungsausschusses.
Der Niederländer Wynaendts also statt Weimer, Witter oder Winkeljohann. Alle drei Deutsche-Bank-Aufsichtsräte waren zwischenzeitlich als mögliche Kandidaten für die Achleitner-Nachfolge gehandelt worden: Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer, Ex-Volkswagen-Finanzvorstand Frank Witter sowie der langjährige Europachef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und heutige Bayer-Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkeljohann.
Auch bei einer Vorstandspersonalie stellte die Deutsche Bank am Wochenende die Weichen: Olivier Vigneron soll zum 1. Juni 2022 neuer Risikovorstand werden, wie das Unternehmen am Sonntag mitteilte. Amtsinhaber Stuart Lewis wird das Geldhaus nach 25 Dienstjahren auf eigenen Wunsch nach der Hauptversammlung 2022 verlassen. Vigneron, derzeit Chief Risk Officer der französischen Bank Natixis, soll am 1. März 2022 zunächst als Generalbevollmächtigter zur Deutschen Bank stoßen, bei der er bereits in den Jahren 2002 bis 2005 arbeitete.
Die Nominierung Wynaendts' (61) begründete die Bank damit, der Manager verfüge „über umfassende Expertise und jahrzehntelange Erfahrung im Finanzsektor weltweit“. Wynaendts begann seine berufliche Laufbahn bei der ABN Amro, wo er 13 Jahre im Private Banking und im Investmentbanking in Amsterdam und London tätig war. Von 2008 bis 2020 war er Chef des niederländischen Versicherungskonzerns Aegon. Derzeit ist Wynaendts Mitglied in mehreren Aufsichts- und Verwaltungsräten, unter anderem bei der Citigroup, Uber Technologies und Air France KLM. Sein Mandat bei der Citigroup werde er abgeben.
Die Fondsgesellschaft Union Investment äußert sich skeptisch zu Wynaendts' Nominierung. „Aus seinen bisherigen Stationen ist nicht erkennbar, dass er mit der deutschen Corporate Governance vertraut ist. Er hat auch nie selbst eine große Bank geführt“, sagte Union-Investment-Manager Janne Werning dem „Handelsblatt“. Das Fondshaus hätte sich „für einen externen Nachfolger auf jeden Fall eine angemessene Einarbeitungszeit gewünscht“, sagte Werning.
Nach Ansicht von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing steht Wynaendts „für genau das, was auch die Deutsche Bank seit jeher ausmacht“: „Er verfügt über große Erfahrung in der Finanzbranche und ein hervorragendes Netzwerk, nicht nur in Europa, sondern auch global.“ In einer internen E-Mail an die Belegschaft lobte Sewing, wie „strukturiert und souverän“ der Nominierungsausschuss den Prozess zu Achleitners Nachfolge gestaltet habe.
Achleitner hat sich bemerkenswert lange auf einem der wichtigsten Posten der deutschen Wirtschaft gehalten. Doch nach zehn Jahren als Aufsichtsratschef der Deutschen Bank soll 2022 Schluss sein, wie der 65-jährige Österreicher wiederholt bekräftigt hatte.
Noch 2019 schien Achleitner ein Chefkontrolleur auf Bewährung, Aktionäre forderten die „Abwahl des Systems Achleitner“. Immer klarer wurde seit seinem Amtsantritt Mitte 2012: Das Haus war mitnichten „besenrein“, wie Josef Ackermann es zu seinem Abschied nach einer Dekade als Deutsche-Bank-Chef im Frühjahr 2012 versprochen hatte.
Während die US-Konkurrenz direkt nach der Finanzkrise Bilanzen und Geschäfte entrümpelte, wurschtelte sich die Deutsche Bank durch. Und Achleitner musste sich die Frage gefallen lassen, ob das Geldhaus nicht längst besser dastünde, wenn der Aufsichtsrat nicht zu lange an den falschen Managern festgehalten hätte. Sewing ist der vierte Konzernchef in der Ära Achleitner.
Lange sah es so aus, als habe den einst als Deal-Maker gefeierten Achleitner bei der Mammutaufgabe, die Deutsche Bank neu auszurichten, das Glück verlassen. Doch Sewings bisherige Bilanz lässt den bestbezahlten Chefkontrolleur eines Dax-Konzerns wieder hoffen, dass er seinen Abschied im nächsten Jahr damit krönen kann, dass die Bank erstmals seit dem Geschäftsjahr 2018 wieder Gewinn ausschüttet. „Unsere Bank steht stabil da, viele, wenn auch nicht alle Probleme vergangener Jahre sind abgearbeitet“, bilanzierte Achleitner bei der diesjährigen Hauptversammlung. In dem internen Schreiben lobte Sewing: Achleitners Führung habe „wesentlich dazu beigetragen, dass die Transformation unserer Bank so erfolgreich verläuft“.
Bei dem Aktionärstreffen 2022 soll nach dem Willen des Nominierungsausschusses auch die Wahl eines weiteren stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden neben dem Arbeitnehmervertreter Detlef Polaschek auf die Agenda gesetzt werden. Für diese Funktion soll Norbert Winkeljohann vorschlagen werden.
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