Berlin (dpa)
Polen untermauert Anspruch auf Weltkriegsreparationen
Abgeschlossen ist das Thema Ansprüche auf Weltkriegsreparationen für die Regierung in Warschau noch lange nicht. Das macht sie mit der Gründung einer Forschungsstelle zu dem Thema klar.
Mit einem neuen Forschungsinstitut will Polen seine Reparationsansprüche für die von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg verursachte Schäden untermauern.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, dass er am vergangenen Mittwoch ein Dokument zur Gründung des nach dem polnischen Widerstandskämpfer Jan Karski benannten Instituts für Kriegsschäden unterzeichnet habe. „Das Thema ist nicht vom Tisch, weil Polen sehr schlecht behandelt wurde, indem es keine Reparationen erhalten hat“, sagte der Politiker der nationalkonservativen PiS-Partei.
Regierung will öffentlichen Druck aufbauen
Das Institut solle die Bemühungen um die Erforschung sämtlicher Kriegsschäden institutionalisieren und sich auch mit der weiteren Verfolgung der Reparationsansprüche befassen. Morawiecki kündigte zudem an, dass eine 2017 eingesetzte Parlamentskommission zur Untersuchung der Kriegsschäden im Februar ihren Bericht fertigstellen werde. Wie die Regierung dann damit umgehen werde, sei aber noch unklar. „Die Entscheidung, was wir mit diesem Bericht machen und wann und wie ist noch nicht gefallen“, sagte der Ministerpräsident. „Aber wir bereiten alles vor, diesen Bericht der Welt da draußen zu präsentieren.“
Die Parlamentskommission war 2017 eingesetzt worden, um die Kriegsschäden in dem 1939 von Nazi-Deutschland überfallenen und bis 1945 besetzten Polen festzustellen. Ihr Vorsitzender Arkadiusz Mularczyk hatte die Arbeit bereits im vergangenen Jahr für beendet erklärt. Laut Morawiecki ist die Kommission aber gebeten worden, weitere Informationen hinzuzufügen. Bis Februar werde der Bericht nun fertig sein, sagte er der dpa. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist aber noch offen.
Frühere Schätzung lag bei 800 Miliarden Euro
Nach früheren polnischen Schätzungen, die auf einer Bestandsaufnahme von 1946 plus Zinsen beruhen, belaufen sich die Schäden auf 800 Milliarden Euro. Vier bis sechs Millionen Polen kamen im Zweiten Weltkrieg ums Leben - bis zu einem Fünftel der Bevölkerung.
Zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns hatte Warschau 2019 den Druck in der Reparationsdebatte deutlich erhöht. „Mehr als 1000 polnische Dörfer sind von Deutschen ausgelöscht worden. Wir werden die Summe, die wir fordern, seriös ermitteln“, kündigte Morawiecki damals in einem Interview an. Danach war es aber ruhiger um das Thema geworden. Das dürfte sich spätestens bei einer Vorlage des Parlamentsberichts wieder ändern.
Für die Bundesregierung ist das Thema aber rechtlich und politisch abgeschlossen. Sie beruft sich vor allem auf den Zwei-plus-Vier- Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem waren zahlreiche von Nazi-Deutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland und Polen an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt.
Auch in Griechenland war deswegen eine Parlamentskommission eingesetzt worden, die die von Deutschland verursachten Kriegsschäden auf 289 Milliarden Euro schätzte - inklusive einer Zwangsanleihe, die Griechenland der Deutschen Reichsbank während des Kriegs gewähren musste. Die inzwischen abgewählte Regierung des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras hatte das Thema vorangetrieben und die Bundesregierung 2019 sogar in einer diplomatischen Note zu Verhandlungen aufgefordert. Die Bundesregierung wies diese Forderung zurück.
Auch die jetzige griechische Regierung hält an den Reparationsforderungen fest. Das machte sie im April zum 80. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Griechenland im Zweiten Weltkrieg deutlich. „Die Frage bleibt offen bis zur Erfüllung unserer Forderungen. Diese Forderungen sind gültig und aktiv und sie werden mit jedem Mittel geltend gemacht“, erklärte das griechische Außenministerium damals.
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