Berlin (dpa)
Drosten: „Für veränderte Krankheitsschwere keine Hinweise“
Große Sorgen um die in Südafrika entdeckte neue Corona-Variante. Um die Gefahr einzuschätzen, fehlen aber nach Einschätzung des Virologen Christian Drosten noch wichtige Erkenntnisse.
Bei der Einschätzung der in Südafrika neu entdeckten Virusvariante gibt es dem Berliner Virologen Christian Drosten zufolge noch viele offene Fragen.
So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. „Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise“, teilte Drosten am Freitag der Nachrichtenagentur dpa mit.
Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass die Virusvariante sich der Immunabwehr entziehen könnte. „Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen“, erklärte der Virologe von der Berliner Charité. Zusätzlich müsse klar sein, dass das Virus sich schneller verbreite oder andere veränderte Eigenschaften habe, beispielsweise einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.
Erscheint vielleicht nur übergroß
In Südafrika habe es im dortigen Winter eine große Welle der Delta-Variante gegeben, so Drosten weiter. Es sei wahrscheinlich, dass das Ende der Verbreitungswelle durch Bevölkerungsimmunität verursacht wurde. „Da das Infektionsgeschehen zuletzt stark reduziert war, ist es denkbar, dass neu auftretende Ausbrüche vor einem sehr kleinen Hintergrund an anderen Viren übergroß erscheinen, und dies in anderen Ländern, in denen eine höhere momentane Infektionstätigkeit herrscht, kaum auffallen würde“, so Drosten. Diese Unsicherheit werde sich in wenigen Tagen aufklären.
Das Auftauchen der Variante B.1.1.529, die zunächst in Südafrika identifiziert wurde, hat international Besorgnis ausgelöst. Am Donnerstag hatte das südafrikanische Institut für Ansteckende Krankheiten NICD mitgeteilt, es seien in Südafrika 22 Fälle der neuen Variante nachgewiesen worden. Mit mehr Fällen sei im Zuge der laufenden Genomanalysen zu rechnen. Mittlerweile wurden auch aus anderen Ländern Infektionen mit der Variante gemeldet, unter anderem aus Belgien.
Viele Mutationen nicht bekannt
Die Variante weist besonders viele Mutationen auf, die in dieser Kombination bisher nicht bekannt sind. Die genetischen Veränderungen betreffen zum einen das Spike-Protein, über das die Viren an menschliche Zellen andocken. Darüber hinaus ist eine Region betroffen, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. Experten fürchten, dass die Variante ansteckender ist als vorherige Varianten oder die Impfstoffe nicht mehr wirken.
„Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen“, meint Drosten. Der Schutz gegen schwere Infektionen sei besonders robust gegen Virusveränderungen. „Der beste Schutz auch gegen die neue Variante ist daher das Schließen aller Impflücken in der Bevölkerung und die schnelle Verabreichung von Auffrischungsimpfungen.“
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