Hannover (dpa)
Gericht kippt 2G-Regel im niedersächsischen Einzelhandel
Das Urteil bringt Bewegung in den Streit um die coronabedingten Einschränkungen im Einzelhandel. Doch eine klare Linie der Justiz ist noch nicht zu erkennen.
In den Streit um die coronabedingten Einschränkungen im Einzelhandel kommt Bewegung. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die erst seit kurzem geltende 2G-Regel im Einzelhandel in Niedersachsen gekippt.
Die Maßnahme sei zur weiteren Eindämmung des Coronavirus nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, entschied das Gericht am Donnerstag laut Mitteilung.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßte die Entscheidung. „Das Urteil in Niedersachsen macht deutlich, dass die 2G-Regelung für weite Teile des Einzelhandels kein juristischer Selbstläufer ist“, sagte der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der Deutschen Presse-Agentur. Zwar bleibe abzuwarten, wie die Gerichte in anderen Bundesländern urteilten. Doch sei die Rechtmäßigkeit der 2G-Beschränkungen im Einzelhandel nun zumindest fraglich. „Dies sollten nun auch die anderen Landesregierungen berücksichtigen, ungerechtfertigte Belastungen des Einzelhandels vermeiden und nicht abwarten, bis ihre Verordnungen von den Gerichten wieder kassiert werden“.
Der Hintergrund: Viele Händler klagen über massive Umsatzeinbrüche durch die Einführung der 2G-Regel - und das ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft. Seit nur noch Geimpfte und Genesene in vielen Geschäften vom Modehaus bis zum Elektronikmarkt einkaufen dürften, seien die Besucherzahlen deutlich zurückgegangen. Ausnahmen von der 2G-Regel gelten für Geschäfte des täglichen Bedarfs, also etwa Supermärkte und Drogerien.
Bei Gerichten in ganz Deutschland sind inzwischen Klagen gegen die 2G-Regel eingegangen. Doch gibt es bislang keine einheitliche Linie der Richter. In Schleswig-Holstein war diese Woche ein Eilantrag der Kaufhauskette Woolworth gegen die 2G-Regel vom zuständigen Gericht abgelehnt worden. Hier verwiesen die Richter auf die als besonders besorgniserregend eingeordnete Variante Omikron. Angesichts dieser Bedrohung bestehe kein Zweifel daran, dass die 2G-Regelung geeignet sei, der Verbreitung von Covid-19 entgegenzuwirken und das Risiko schwerer Krankheitsverläufe zu reduzieren. Das Verwenden von FFP2-Masken und Plexiglasscheiben im Kassenbereich könne dies nicht in gleichem Maße sicherstellen. Das Urteil in einem weiteren Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen steht noch aus.
In Niedersachsen galt die 2G-Regel seit Montag. Der 13. Senat des Gerichts entschied nun, diese Regelung vorläufig außer Vollzug zu setzen. (Az.: 13 MN 477/21). Geklagt hatte ein Unternehmen, das auch in Niedersachsen Einzelhandel im Filialbetrieb mit einem Mischsortiment betreibt. Nach Angaben des Kläger-Anwalts handelt es sich auch hier um Woolworth.
Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass eine schlichte Übertragung von Forschungserkenntnissen aus geschlossenen Räumen im Sport- und Freizeitbereich auf den Handel nicht möglich sei. Zudem könnten die Kunden auch im Einzelhandel verpflichtet werden, eine FFP2-Maske zu tragen. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass das Land seine Forschung zu Infektionswegen erhöht habe, um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen.
Der Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren (BTE) wertete die Entscheidung des Gerichts als „gutes Zeichen“. Der Verband hatte erst vor wenigen Tagen eine „sofortige Abschaffung der 2G-Beschränkungen“ im Modehandel gefordert. BTE-Präsident Steffen Jost sagte, der stationäre Handel gerate dadurch in eine „dramatische, vielfach existenzbedrohende Situation“.
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