Berlin (dpa)
Per Basisvotum an die Spitze: Merz soll die CDU neu starten
Es ist ein Comeback im dritten Anlauf: Friedrich Merz kann mit einem klaren Votum der Basis an die Wiederaufbauarbeit der CDU in der Opposition gehen. Schafft er Aufbruch und Erneuerung?
Friedrich Merz wirkt ernst. Von Triumph ist im Gesicht des künftigen CDU-Chefs nichts zu lesen, als der rote Ergebnisbalken der Mitgliederbefragung am Freitag im Foyer der Parteizentrale in Berlin erst bei der Marke 62,1 stoppt.
Gleich im ersten Durchgang haben die Mitglieder Merz an die Spitze der CDU gewählt - mit einem Ergebnis, mit dem er selbst wohl nicht gerechnet hat. Eigentlich dürfte Merz in diesem Moment schon ein wenig Genugtuung spüren: Im dritten Anlauf wird er nun doch CDU-Vorsitzender, zweimal war er in Stichwahlen auf Parteitagen gescheitert, nachdem die damalige Kanzlerin Angela Merkel 2018 den Parteivorsitz abgegeben hat.
Genugtuung auch deswegen, weil ihn nun die Basis zum Parteichef macht - und nicht das „Establishment“ der Parteitagsdelegierten, wie er selbst mal kritisiert hatte. Selbst wenn es am Ende beim Online-Parteitag am 21./22. Januar doch wieder die Delegierten sein werden, die die Wahl offiziell machen müssen.
Doch auf dem Podium wiegelt Merz ab: Nein, Genugtuung „ist es nicht, es ist eher Respekt vor der Aufgabe. Die ist groß“, sagt der 66-Jährige auf Fragen nach seinen Gefühlen. Er wisse, welche Aufgaben er als zehnter CDU-Vorsitzender seit 1948 vor sich habe. Dann gibt Merz aber doch einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt. Im Moment, als er das Ergebnis erfahren hat, habe er „im Stillen Wow gesagt. Aber nur ganz still“. Und schiebt rasch hinterher: „Triumphgesänge sind mir fremd.“ Nur nicht gleich zu Beginn möglichen Skeptikern neue Nahrung geben.
Fast zwei Drittel der Teilnehmer an der ersten Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz in der Geschichte der CDU wollen Merz, der lange als Aushängeschild der Konservativen und des Wirtschaftsflügels der CDU galt, als Erneuerer der Partei nach ihrem historischen Desaster bei der Bundestagswahl sehen. Das ist - zusammen mit der Beteiligung von 66 Prozent - ein ziemlicher Rückhalt für Merz. Und eine Basis dafür, dass diesmal die Spaltung der Partei nicht weitergehen könnte.
Auf Merz, den dritten Parteivorsitzenden innerhalb von drei Jahren, warten schwierige Aufgaben und gewichtige Fragen, wenn er von den 1001 Delegierten beim Online-Parteitag am 21./22. Januar und anschließend per Briefwahl bestätigt ist. Die wichtigsten Punkte:
Rückt die CDU mit Merz nach rechts?
Als neuer Vorsitzender muss Merz die verunsicherte Partei nach deren 24,1-Prozent-Ergebnis bei der Bundestagswahl einen, mehr Frauen in Führungsposten bringen und die inhaltliche Profilierung vorantreiben. Etliche in der Partei fürchten allerdings, dass es mit dem als Liebling der Konservativen geltenden Merz einen Rechtsruck geben könnte. Er selbst spricht am Freitag von einem „Zerrbild“, das von ihm teils in der Öffentlichkeit entstanden sei. Merz versichert: „Ich werde das Schritt für Schritt auch korrigieren.“ Er wird wissen: Wahlen werden in der politischen Mitte gewonnen.
Kann Merz Team?
Innerparteiliche Bedenken, er sei kein Teamplayer und komme bei Frauen nicht gut an, versuchte Merz schon mit der Auswahl seines Teams zu zerstreuen. So soll der Bundestagsabgeordnete und frühere Berliner Sozialsenator Mario Czaja Generalsekretär werden - und für Merz auch den Arbeitnehmerflügel abdecken. Für den neu zu schaffenden Posten einer stellvertretenden Generalsekretärin präsentierte er die Bundestagsabgeordnete und bisherige baden-württembergische Kommunalpolitikerin Christina Stumpp. Nach seiner Nominierung betont Merz, er freue sich „auf gute Zusammenarbeit mit wirklich allen“.
Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand?
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) würde sein Amt gerne über den April hinaus ausüben - bis dahin ist er vorerst gewählt. Ob dies gelingt, hängt auch davon ab, ob Merz zugreift, um sich die öffentlichkeitswirksame Position des Oppositionsführers im Bundestag zu sichern. Auch nach seiner Nominierung lässt Merz die Frage weiter offen: „Das Thema steht zur Zeit nicht auf der Tagesordnung. Und deswegen mache ich mir darüber auch keine Gedanken.“
Was wird aus dem Verhältnis zur CSU?
Merz-Vorgänger Armin Laschet hatte sich im Frühjahr einen zehntägigen Machtkampf mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur der Union geliefert und ihn für sich entschieden. Während des Wahlkampfs gab es daraufhin immer wieder Sticheleien Söders gegen Laschet. Für den künftigen CDU-Vorsitzenden wird es darum gehen, wieder einen normalen, partnerschaftlichen Umgang mit Söder aufzubauen. In der Vergangenheit galt intern gerade das Verhältnis zwischen Merz und Söder als nicht das beste.
Söder wisse, „dass nur ein gutes Miteinander von CDU und CSU den gegenseitigen Erfolg sichert“, sagt Merz nun. Die CSU werde die Landtagswahl 2023 in Bayern nur gut bestehen, „wenn das Verhältnis zwischen CDU und CSU sehr gut, sehr konstruktiv ist“ und auch der CDU-Teil in der Union einen Beitrag zum guten Gelingen leisten könne. Derzeit seien „für uns und für die CSU die Umfragen außerordentlich unbefriedigend. Und daran müssen wir beide arbeiten.“ Das klingt schon mal wie eine eindeutige Ansage Richtung München.
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