Nürnberg (dpa)
Unsicherheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt nimmt zu
Im Jahr 2021 hat der deutsche Arbeitsmarkt der Pandemie getrotzt - die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist sogar gestiegen. Ob das 2022 auch klappt? Die Unsicherheit wächst.
Die Furcht vor länger anhaltenden Corona-Einschränkungen, drohende Quarantäne fürs Personal und Lieferengpässe in Industrie und Handwerk trüben die Freude über einen stabilen Arbeitsmarkt zur Jahreswende.
Die Anzeigen für Kurzarbeit seien im Dezember deutlich gestiegen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, am Dienstag bei der Vorstellung der Dezember-Statistik in Nürnberg.
Im Dezember gab es bei den Nürnberger Statistikern noch Grund zum Jubeln - die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland stieg zwar im Vergleich zum November um 12 000 auf 2,330 Millionen. Der Dezember-Anstieg sei aber schwächer ausgefallen als um die Jahreszeit üblich. Er spielt sich fast ausschließlich im Osten Deutschlands ab, wo die Arbeitslosigkeit um 11 000 Personen zunahm. Im Vergleich zum Dezember 2020 waren bundesweit 378 000 Menschen weniger arbeitslos.
Arbeitslosenquote bleibt stabil
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt mit 34,37 Millionen auf einem Rekordhoch. Die Zahl der Minijobs liegt allerdings weiter deutlich unter Vorkrisenniveau. Die Arbeitslosenquote blieb stabil bei 5,1 Prozent. Für die Zahlen zog die Bundesagentur Datenmaterial heran, das bis zum 13. Dezember zur Verfügung stand. Damit steht der Arbeitsmarkt deutlich besser da als nach dem ersten Pandemie-Jahr, damals lag die Quote bei 5,9 Prozent.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies vor allem auf den historisch niedrigen Stand bei der Jugendarbeitslosigkeit hin. Mit knapp 180 000 sei das Niveau so niedrig wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Auch die große Zahl der Erwerbstätigen sei ermutigend. „Dieser Erfolg ist dem Engagement der Unternehmen in Deutschland, aber auch dem entschlossenen Krisenmanagement der Bundesregierung zu verdanken“, sagte der Minister. „Vor allem mit dem Kurzarbeitergeld konnten wir Millionen von Arbeitsplätzen sichern“, betonte Heil.
Obwohl er in den nächsten Winterwochen steigende Arbeitslosenzahlen für möglich hält, erwartet Scheele trotz der Unsicherheiten zunächst keine Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt im neuen Jahr. Allerdings könnte der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Jahr 2022 insgesamt etwas geringer ausfallen als prognostiziert - das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung war von einem Sinken der Arbeitslosigkeit um 300 000 ausgegangen. „Wir haben keine Anzeichen dafür, dass Kurzarbeit nicht greift“, sagte er. Allerdings müsse damit gerechnet werden, dass die Kosten für die Bekämpfung der Pandemiefolgen auf dem Arbeitsmarkt höher werden als erwartet.
Das zunächst prognostizierte Defizit im neuen Haushalt 2022 von rund 800 Millionen Euro müsse bereits um 400 Millionen Euro nach oben korrigiert werden. Ein ausgeglichener Haushalt sei erst wieder 2023 möglich. Bei der Kurzarbeit rechnet Scheele allerdings damit, dass die Millionen-Grenze nicht wieder erreicht wird.
Im Dezember ist die Nachfrage der Unternehmen nach Kurzarbeit schon wieder deutlich gestiegen. Vom 1. bis 31. Dezember hätten Betriebe - vor allem aus dem Gastgewerbe und Handel - für 300 000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt, sagte Scheele. Das seien doppelt so viele wie im Vormonat. In der Regel wird nicht für jede Anzeige auch tatsächlich Kurzarbeit in Anspruch genommen.
Wie viel Kurzarbeit tatsächlich in Anspruch genommen wurde, dafür stehen Daten bis Oktober zur Verfügung. In dem Monat wurde Kurzarbeitergeld für 710 000 Personen gezahlt. In der Spitze hatte die Bundesagentur im ersten Lockdown der Corona-Pandemie im April 2020 für fast sechs Millionen Menschen in Deutschland Kurzarbeitergeld zahlen müssen.
„Noch wissen wir nicht genau, welche Folgen Omikron für den Arbeitsmarkt hat“, sagte Arbeitsminister Heil. „Aber wir müssen von einem Anstieg der Kurzarbeit in den nächsten Monaten ausgehen.“ Durch die Verlängerung der Sonderregelungen bei der Kurzarbeit sei der Arbeitsmarkt für kommende Herausforderungen gut aufgestellt.
Auffallend auf dem Arbeitsmarkt: Die kurzzeitige Arbeitslosigkeit bis zu einem Jahr, geregelt im SGB III, hat ein Niveau erreicht, das niedriger liegt als vor der Pandemie. Dagegen stieg die Zahl von Hartz-IV-Empfängern (SGB II) im Verlauf des vergangenen Jahres deutlich und sinkt nach den Lockdowns nur langsam. Der Corona-Effekt habe sich ins SGB II verschoben, urteilte die Bundesagentur.
Der Fachkräftemangel trübt die Bilanz
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen erreichte im Dezember 977 000. Damit liegt sie wieder unter der Millionen-Grenze, aber noch immer fast doppelt so hoch wie vor der Krise. 42 Prozent aller Arbeitslosen in Deutschland sind derzeit mehr als ein Jahr ohne Job.
Auf der anderen Seite bremse der Mangel an geeignetem Personal die Wirtschaftsleistung. Für die Arbeitgeber steht die Bewältigung des Fachkräftemangels im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er sei einer der größten Bremsklötze für die deutsche Wirtschaft, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. „Viele offene Stellen können nicht besetzt und Aufträge aufgrund von Personalmangel nicht angenommen werden“, betonte er. Deshalb müssten auch mehr ausländische Fachkräfte ins Land geholt werden.
„Aufgabe der neuen Bundesregierung muss es sein, die Verwaltungsverfahren für eine gezielte und qualifizierte Fachkräftezuwanderung zu vereinfachen und zu beschleunigen“, so Dulger. „Sonst droht, dass der Fachkräftemangel zur Vollbremsung für die Innovationen und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes wird.“
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