Annecy (dpa)

Verhör nach Vierfachmord in Alpen liefert keine neue Spur

Michael Evers, dpa
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Von Michael Evers, dpa
| 13.01.2022 04:43 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Die Polizei sperrt die Straße zum Tatort ab (2012). Foto: Norbert Falco/Le Dauphine/MAXPPP/dpa
Die Polizei sperrt die Straße zum Tatort ab (2012). Foto: Norbert Falco/Le Dauphine/MAXPPP/dpa
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Drei Urlauber werden mit Kopfschüssen getötet, außerdem stirbt ein zufällig vorbeikommender Radfahrer. Neun Jahre danach gibt es eine Festnahme. Und kurz zumindest auch die Hoffnung auf einen Durchbruch in dem Fall.

Nach dem kaltblütigen Verbrechen in der Urlaubsidylle der französischen Alpen im September 2012 verlief eine Spur nach der anderen für die Fahnder im Sand.

Mehr als neun Jahre nach dem mysteriösen Vierfachmord von Chevaline ließ die Nachricht von der Festnahme eines Verdächtigen am Mittwoch dann aufhorchen. Gab es doch noch einen Durchbruch in einem der mysteriösesten Mordfälle der vergangenen Jahre?

Nach einer Rekonstruktion am Tatort im September hätten sich Unstimmigkeiten ergeben, ein vor Jahren bereits Verdächtiger werde nun erneut verhört, hieß es. Es gehe darum, Zeitabläufe zu überprüfen, gab sich Staatsanwältin Line Bonnet in Annecy wortkarg. Das Gewahrsam des am Morgen festgesetzten Mannes wurde abends verlängert, am nächsten Tag ging die Befragung weiter.

Auf einem Waldparkplatz bei dem Alpenort hatte im September 2012 ein Unbekannter ein in Großbritannien lebendes irakischstämmiges Urlauberpaar und die Mutter der Ehefrau erschossen. Ebenfalls getötet wurde ein offensichtlich zufällig vorbeikommender Radfahrer. Nur die beiden Töchter des bei London lebenden Paares im Alter von vier und sieben Jahren überlebten.

Bei dem nun erneut verhörten Mann handelte es sich um einen 2014 bereits Verdächtigten. Der Motorradfahrer war Waldarbeitern zur Tatzeit in der Umgebung aufgefallen, mit einem Phantombild wurde nach ihm gefahndet. Er meldete sich nicht von sich aus bei der Polizei, die Auswertung von Handydaten aber ergab, dass er zur Tatzeit in der Nähe war. Er habe sich zum Paragliding, seinem Hobby, in Tatortnähe aufgehalten, sagte der Mann damals aus.

Im September hatten die Ermittler einen Ortstermin organisiert, um mit verschiedenen Beteiligten mögliche Abläufe rund um die Tat zu rekonstruieren und so auf mögliche neue Ansätze zu stoßen. Auch die Waldarbeiter und der Motorradfahrer wurden eingebunden. Dabei ergaben sich mögliche Ungereimtheiten bei den Zeitangaben des Motorradfahrers. Hatte er doch etwas mit der Tat zu tun?

Die Hoffnung, dass mit seiner Vernehmung die Lösung des Falles näher rückt, löste sich dann aber in Luft auf. Der festgesetzte Mann sei aus dem Gewahrsam entlassen worden, ohne dass sich irgendwelche Vorwürfe gegen ihn ergeben hätten, teilte Staatsanwältin Bonnet mit. Anhand seiner Erklärungen sowie Überprüfungen könne eine eventuelle Beteiligung am Tatgeschehen ausgeschlossen werden. Die Ermittlungen in dem Fall gingen aber weiter, um den oder die Täter zu finden.

Den Opfern war damals jeweils zweimal mit einer seltenen Waffe in den Kopf geschossen worden, das ältere Mädchen wurde beim Versuch zu fliehen im Rücken getroffen und schwer verletzt. Es handelte sich um eine automatische Pistole vom Typ Luger 06, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts entwickelt worden war und als sehr beliebt bei Waffensammlern gilt. Weil auch bei dem Motorradfahrer damals alte Waffen gefunden wurden, geriet er zusätzlich unter Verdacht.

Die Opferfamilie war offensichtlich zum Urlaub auf einem Drei-Sterne-Campingplatz in der beliebten Ferienregion. Vor dem Hintergrund eines möglichen Erbstreits als Motiv hatte ein französisch-britisches Ermittlerteam auch ein Familienmitglied vorläufig festnehmen lassen. Hier aber gab es ebenfalls nicht ausreichend Belastungsmaterial, der Mann kam frei. Der aus dem Irak stammende Familienvater hatte in der Raumfahrtbranche gearbeitet. Die Polizei prüfte auch Spekulationen, er könnte in Spionageaktivitäten verwickelt sein - diese Ermittlungen blieben ohne Resultat.

Der besonders mysteriöse und grausame Fall inspirierte außerdem Ex-„Tagesthemen“-Moderator Ulrich Wickert bei einem seiner Kriminalromane. Das Tatgeschehen in dem Roman „Das marokkanische Mädchen“ (2014), ähnelt dem von Chevaline, wurde aber in die Nähe von Paris verlegt.

© dpa-infocom, dpa:220113-99-688387/7

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