Straßburg (dpa)
Macron pocht auf starkes und unabhängiges Europa
Frankreichs Präsident Macron will die EU stärken und wieder für ihre Grundwerte begeistern. Große Vorhaben sind Klimaschutz, Digitalisierung sowie die Frage von Sicherheit und Frieden.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will während des französischen EU-Ratsvorsitzes die Weichen für ein zukunftsfähiges, starkes und unabhängiges Europa stellen.
Es gelte, die drei großen Versprechen der Europäischen Union von Demokratie, Fortschritt und Frieden neu zu verankern, sagte Macron am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg. Dazu müsse die Rechtsstaatlichkeit als Grundsatz in der EU verteidigt werden, ansonsten drohe die Rückkehr zu einer Willkür-Herrschaft.
Als Herausforderungen nannte Macron den Klimawandel, die Digitalisierung sowie die Frage von Sicherheit und Frieden in Europa. Die EU müsse nicht bloß auf Krisen reagieren, sondern vorausschauend handeln und ihre Zukunft nicht von Entscheidungen anderer Länder abhängig machen.
Frankreich hatte am 1. Januar den alle sechs Monate wechselnden Vorsitz im EU-Ministerrat übernommen und seine Ratspräsidentschaft unter das Motto Durchstart, Kraft und Partnerschaft gestellt.
Neue Sicherheitsordnung gefordert
Angesichts der drohenden Eskalation im Ukraine-Konflikt forderte Macron eine neue europäische Sicherheits- und Stabilitätsordnung. Ein Vorschlag dazu müsse in den kommenden Wochen von den Europäern erarbeitet und mit den Nato-Partnern geteilt werden. Anschließend müsse der Vorschlag Russland für Verhandlungen vorgelegt werden.
Der Dialog mit Russland bleibe essenziell. „Wir werden mit Deutschland im Rahmen des Normandie-Formats weiter eine politische Lösung im Ukraine-Konflikt suchen.“ Die Unverletzbarkeit der Grenzen, die freie Bündniswahl, der Verzicht auf Gewalt - all das seien Prinzipien, auf die Europa und Russland sich vor vielen Jahren geeinigt hätten. „Es ist an uns Europäern, diese Prinzipien und inhärenten Rechte der Souveränität der Staaten zu verteidigen.“
Stärkung des EU-Parlaments
Macron stellte außerdem eine Stärkung des EU-Parlaments in Aussicht. Er wolle sich gemeinsam mit Deutschland dafür einsetzen, dass das Straßburger Haus in der Europagesetzgebung das Initiativrecht erhält, also eigene Gesetzesvorschläge einbringen kann. Bisher ist dies einzig der EU-Kommission vorbehalten.
Überlagert wurde die Parlamentsdebatte von den in Frankreich im April anstehenden Präsidentschaftswahlen. Macron hat sich zwar noch nicht offiziell um eine zweite Amtszeit beworben, aber an seinen Ambitionen bestehen keine Zweifel. Zahlreiche französische Abgeordnete anderer Parteien griffen Macron an - auch für nationale Themen.
Die französische Linken-Abgeordnete Manon Aubry warf ihm etwa vor, die Sozialproteste der „Gelbwesten“ in Frankreich zu ignorieren und Geringschätzung gegenüber den Franzosen an den Tag zu legen. Seine Europa-Bilanz fasste sie mit den Worten Arroganz, Machtlosigkeit und Machenschaften zusammen. Nicolas Bay, Abgeordneter des extrem rechten Rassemblement National, sagte, Macron nutze den Ratsvorsitz um Werbung für sich zu machen. Dabei könne er nur Misserfolge vorweisen.
Grundrechtecharta aktualisieren
Macron betonte, er wolle den Umweltschutz und das Recht auf Abtreibung in die europäische Grundrechtecharta aufnehmen. Es gehe darum, die Menschen wieder neu vom Wert des Rechtsstaats und der Demokratie in der Europäischen Union zu überzeugen. „Zu diesem Zweck möchte ich unsere Werte als Europäer stärken, die unsere Einheit, unseren Stolz und unsere Stärke begründen“, sagte Macron.
Die Grundrechtecharta der EU wurde 2000 unterzeichnet und ist seit Dezember 2009 rechtsverbindlich - das heißt, EU-Bürger können auf dieser Basis ihre Grundrechte einklagen. Der Text fasst alle bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der europäischen Bürger zusammen.
Auch kündigte Macron an, sich auf EU-Ebene für eine Frauenquote in Unternehmensvorständen einzusetzen. Frankreich werde starke Schritte unternehmen, um die Einkommens-Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu reduzieren und um gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen. Daneben werde man sich für einen europäischen Mindestlohn und mehr Rechte für Angestellte von digitalen Plattformen einsetzen.
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