Gera (dpa)

Scharfe Kritik nach Corona-Protest vor Wohnhaus von Geras OB

| 19.01.2022 19:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
„Ich will so etwas nie wieder erleben“: Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb. Foto: David Hutzler/dpa
„Ich will so etwas nie wieder erleben“: Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb. Foto: David Hutzler/dpa
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Hunderte Menschen ziehen am Privathaus des Oberbürgermeisters von Gera vorbei. Der spricht von aufgeheizter Stimmung und einer bedrückenden Situation für seine Familie. Von anderen Politikern gibt es Rückendeckung.

Hunderte Corona-Maßnahmengegner sind am Dienstagabend bei einem unangemeldeten Protest lautstark am Wohnhaus von Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) vorbeigezogen.

„Ich war zuhause, gemeinsam mit meiner Familie. Es war sehr laut, es war gefühlt eine sehr aufgeheizte Stimmung, und es war insbesondere für meine Frau und meine Kinder keine schöne Situation“, sagte Vonarb am Mittwoch in Gera. Es sei eine rote Linie überschritten worden. Nach Polizeiangaben waren rund 1200 Menschen durch Gera gezogen. Nach Angaben Vonarbs passierten sie dabei auch seine private Wohnadresse.

Auf die Frage, ob er sich am Dienstagabend akut bedroht gefühlt habe, antwortete Vonarb: „Die Polizei war mit vor Ort, allerdings nicht in einem angemessenen Verhältnis im Vergleich zur Anzahl der Demonstrierenden.“ Komme es in so einer Situation zu Gruppendynamiken, könne immer etwas passieren. „Ob es dann dazu gekommen wäre oder nicht: Ich will so etwas nie wieder erleben.“ Er lasse sich aber nicht einschüchtern, betonte er.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb auf Twitter, politisch Verantwortliche zu Hause aufzusuchen und damit ihre Wohnung und Privatsphäre zu kennzeichnen, sei nichts anderes als Einschüchterung. „Es kann sich keiner rausreden und behaupten man habe sich ja nur „verlaufen“.“

Die Geraer SPD-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Kaiser verurteilte den Aufmarsch und erklärte: „Dieses Verhalten ist eine Schande für unsere Stadt und wird ihren Ruf weiter beschädigen.“ Auch Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) nannte den Vorgang „absolut inakzeptabel“.

Der Fall erinnert an eine Demonstration vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) Anfang Dezember. Dort hatten rund 30 Gegner der Corona-Politik demonstriert und dabei Fackeln und Plakate getragen. Auch vor dem Wohnhaus von Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) war im Dezember zu einer Versammlung aufgerufen worden - es erschien aber niemand vor Ort, die Polizei hatte das Haus geschützt.

Die Polizei beschäftigt sich derzeit mit einem in sozialen Netzwerken geteilten Video, das am Montag in Gera entstanden sein soll. Darauf ist zu sehen, wie mehrere Polizeibeamte einen Mann am Boden fixieren. Er liegt nach einigen Minuten regungslos am Boden. Am Montag waren laut Polizei rund 3500 Gegner der Corona-Maßnahmen durch Gera gezogen. Das Video zeige die Anwendung von unmittelbarem Zwang gegen den Mann, sagte ein Polizeisprecher.

Den Angaben zufolge hatte ein 52-Jähriger einen Bereitschaftspolizisten tätlich angegriffen. So soll er laut Polizei auch versucht haben, einem Beamten den Einsatzstock zu entreißen. Durch die Ausübung unmittelbaren Zwanges gegen den Mann sei der 52-Jährige kurzzeitig bewusstlos gewesen. Daraufhin sei unverzüglich Erste Hilfe geleistet und der Mann dann ins Krankenhaus zur ärztlichen Begutachtung gebracht worden.

Eine dritte Person habe daraufhin am Dienstag Anzeige gegen die Beamten gestellt. Die Ermittlungen dazu liefen, hieß es. Auch gegen den 52-Jährigen werde ermittelt, teilte ein Polizeisprecher mit.

Vonarb sagte, er erwarte, dass die Polizei die Vorgänge vom Montag - die offenbar Auslöser für die Proteste am Dienstag gewesen seien - aufklärt. „Und das weiß ich auch, dass sie das tun werden.“ Wichtig sei nun, nach vorne zu blicken. So wolle er kurzfristig ein Diskussionsformat mit den Organisatoren der Corona-Proteste in Gera ins Leben rufen, das öffentlich gestreamt werden soll.

Für den Mittwochabend kursierten Aufrufe zu Protesten in Gera vor der Halle, in der am Abend der Stadtrat tagen sollte. Vor dem Kultur- und Kongresszentrum kamen dann rund 130 Menschen zusammen. Als sich ein Aufmarsch in Bewegung setzen wollte, hinderte die Polizei diesen daran. Daraufhin verließen die Menschen alleine oder in kleinen Gruppen den Platz, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Die Stimmung blieb friedlich.

Die Polizei stellte nach eigenen Angaben von zwölf Personen die Identitäten fest. Sie erhielten eine Anzeige wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Wegen Nichtanmeldens einer Versammlung erstatteten die Beamten vor Ort eine Strafanzeige gegen einen Mann, wie die Landespolizeiinspektion Gera mitteilte.

© dpa-infocom, dpa:220119-99-773399/5

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