Wiesbaden (dpa)
Deutsche Wirtschaft schrumpft zum Jahresende 2021
Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft weiter im Griff. Die Konjunkturerholung erhält Ende vergangenen Jahres einen deutlichen Dämpfer. Auch die nächsten Monaten dürften nicht einfach werden.
Die deutsche Wirtschaft ist zum Jahreswechsel wieder in ein Corona-Tief gerutscht.
Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im vierten Quartal 2021 gegenüber dem Vorquartal um 0,7 Prozent schließen Ökonomen ein weiteres Minus in den kommenden Monaten nicht aus. Die Konjunktur in Europas größter Volkswirtschaft dürfte nach ihrer Einschätzung erst im Frühjahr wieder richtig anspringen.
Die vierte Corona-Welle und die damit verbundenen Verschärfungen der Schutzmaßnahmen stoppten die Konjunkturerholung zum Ende des vergangenen Jahres, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in einer ersten Schätzung. mitteilte. „Die deutsche Wirtschaft steckt im Winterloch“, stellte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, fest.
Die verschärften Beschränkungen belasteten insbesondere den Einzelhandel und das Gastgewerbe und dämpften die Konsumlust der Verbraucher. Der Privatkonsum als wichtige Konjunkturstütze verringerte sich den Angaben zufolge gegenüber dem Vorquartal. Auch die Bauinvestitionen sanken.
Engpässe belasten Industrie
Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten wie Halbleitern treffen zudem die Industrie. Die Auftragsbücher vieler Unternehmen sind zwar gut gefüllt, können wegen Materialmangels aber oft nicht in dem gewohnten Tempo abgearbeitet werden. Im Vergleich zum vierten Quartal 2019, dem Vierteljahr vor Beginn der Corona-Krise, lag das BIP der ersten Schätzung zufolge um 1,5 Prozent niedriger.
Die kommenden Monate dürften angesichts der um sich greifenden Omikron-Variante des Corona-Virus ebenfalls nicht einfach werden. „Im ersten Quartal 2022 dürften die Belastungen für die deutsche Wirtschaft durch die Pandemie noch einmal zunehmen“, sagte Nils Jannsen vom Institut für Weltwirtschaft (IfW). Neben den Corona-Beschränkungen könnten angesichts steigender Infektionszahlen Arbeitsausfälle zu einem spürbaren Bremsklotz werden.
Schrumpft die Wirtschaft zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer sogenannten technischen Rezession. Dies bedeutet aber keinen Konjunktureinbruch im Gesamtjahr. „Selbst wenn die Wirtschaft in eine technische Rezession rutschen sollte, dürfte diese kurz und mild ausfallen“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die deutsche Wirtschaft im Frühjahr ein eindrucksvolles Comeback feiern wird.“
Konjunkturbarometer steigt
Die Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen hellte sich zuletzt bereits etwas auf. Das Ifo-Geschäftsklima, Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer, stieg im Januar überraschend. Auch die Verbraucher zeigten sich dem Konsumforschungsunternehmen GfK zufolge trotz steigender Inzidenzen und Inflation zu Jahresbeginn wieder etwas optimistischer. „Sollte sich das Infektionsgeschehen im Frühjahr beruhigen, so dass Beschränkungen aufgehoben werden können, wird auch die schon länger erhoffte Erholung der Binnenkonjunktur stattfinden“, sagte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl.
Im Gesamtjahr 2022 dürfte Europas größte Volkswirtschaft jüngsten Prognosen zufolge zwischen etwa 3 und 4 Prozent zulegen. Die Bundesregierung erwartet inzwischen ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,6 Prozent. Die Vorgängerregierung war im Herbst noch von 4,1 Prozent ausgegangen.
2,8 Prozent Wachstum in 2021
Für das vergangene Jahr insgesamt errechnete das Bundesamt nach jüngsten Daten ein Wachstum von 2,8 Prozent. Das war etwas mehr als das zunächst angenommene Plus von 2,7 Prozent. Im Krisenjahr 2020 war die Wirtschaftsleistung Deutschlands um 4,6 Prozent eingebrochen.
Im Gegensatz zu Deutschland blieb die französische Wirtschaft zum Jahresende auf Erholungskurs. Die zweitgrößte Volkswirtschaft des Euroraums wuchs nach Angaben des Statistikamtes Insee im vierten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,7 Prozent. Im Gesamtjahr legte das Bruttoinlandsprodukt um 7 Prozent zu, nach einem Rückgang um 8 Prozent im Jahr zuvor.
Ein wichtiger Absatzmarkt für Waren „Made in Germany“ steckt nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) allerdings in einer „bedeutsamen Flaute“, die auch dieses Jahr anhalten wird. Die Erholung der chinesischen Wirtschaft sei zwar gut vorangeschritten, aber nicht ausgewogen und habe an Schwung verloren, stellte der IWF fest. Als Gründe wurden vor allem der rapide Rückzug politischer Unterstützung für die Wirtschaft sowie eine verzögerte Erholung des Konsums angesichts vereinzelter, neuer Corona-Ausbrüche genannt.
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