Berlin (dpa)
Merz mit 95,3 Prozent offiziell zum CDU-Chef gewählt
Friedrich Merz sieht seine Partei nach dem Sturz in die Opposition und einer ersten Schockphase handlungsfähig. Ein erster Test für ihn werden die kommenden Landtagswahlen sein.
Friedrich Merz startet als neuer CDU-Vorsitzender mit einem Vertrauensvorschuss von 95,33 Prozent in die Arbeit als Oppositionsführer.
„Die CDU ist da, wir sind einsatzbereit“, sagte der 66 Jahre alte Wirtschaftspolitiker bei der Bekanntgabe des Briefwahlergebnisses der 1001 Delegierten nach dem Online-Parteitag vor gut einer Woche. Er ergänzte: „Wir sind bereit, auch in den demokratischen Meinungsbildungsprozess einzusteigen. Mit dieser Bundesregierung, an anderer Stelle, mit anderen.“
Die schriftliche Abstimmung war aus rechtlichen Gründen notwendig. Beim Online-Treffen am 22. Januar war Merz nach CDU-Rechnung auf 94,62 Prozent gekommen. Am 15. Februar will er sich auch zum Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag wählen lassen. Seine Wahl gilt als sicher.
Auf Merz entfielen bei der Briefwahl 837 der abgegebenen 895 Stimmen. Es gab 41 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen. Sein Generalsekretär Mario Czaja erhielt in der Briefwahl 94,24 Prozent - beim Parteitag waren es 92,89 Prozent. Die CDU rechnet traditionell Enthaltungen als ungültige Stimmen. Die Enthaltungen einberechnet fällt die Prozentzahl etwas niedriger aus.
Die CDU hat ihre komplette Führungsspitze neu gewählt. Sie zog damit die Konsequenz aus dem bislang schlechtesten Unionsergebnis von 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl im vergangenen September. Merz war im Dezember in der ersten Mitgliederbefragung der CDU zum Parteivorsitz mit 62,1 Prozent zum Nachfolger Armin Laschets bestimmt worden, der als Kanzlerkandidat gescheitert war.
Merz: „Selbstvertrauen nicht verloren“
Merz betonte nun, er und Czaja wüssten, was sie vor sich hätten. „Wir übernehmen die CDU in einer schweren Zeit.“ Aber: „Wir haben unser Selbstvertrauen nicht verloren.“ Merz sicherte den CDU-Spitzenkandidaten für die vier Landtagswahlen in diesem Jahr im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen „jede Unterstützung“ zu. Czaja kündigte an, nachdem im Wahlkampf Leerstellen deutlich geworden seien, wolle man rasch mit der inhaltlichen Arbeit beginnen und dabei die Basis einbeziehen.
Mit Blick auf Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der zugunsten von Merz auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte, sagte der neue Vorsitzende, man habe am Dienstag- und Mittwochabend jeweils ein persönlich gutes Gespräch geführt. „Ich habe ihm zugesagt, dass wir natürlich an ihn denken, wenn wir demnächst Aufgaben zu verteilen haben.“ Merz ergänzte aber: „Wir haben im Augenblick keine Aufgaben zu verteilen. Wir sind nicht in der Regierung. Wir sind mit begrenzten Möglichkeiten in der Opposition.“
Merz unterstrich: „Ich werde seine Fähigkeiten und seine Arbeitskraft auch in Anspruch nehmen. Das haben wir in sehr kollegialem Ton und in sehr gutem Miteinander besprochen.“ Er habe Brinkhaus „gesagt, ich möchte, dass wir uns am Tag danach noch gut begegnen, in die Augen schauen können. Und so sind wir auch mit Handschlag am Mittwochabend auseinander gegangen und haben das am Donnerstag noch mal auch mit seinem Brief so bekräftigt.“
Merz steht vor großen Baustellen
Mit dem Rückzug von Brinkhaus bleibt der CDU vor den Landtagswahlen ein erneuter Machtkampf erspart. Muss Merz wenige Wochen, nachdem er als Partei- und Fraktionschef alle Macht in der CDU auf sich vereint hat, Niederlagen in den Ländern erklären, könnte das am Image als Erneuerer kratzen. Lange Zeit galt Merz als einer der schärfsten Kritiker der Politik von Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Nun muss er liefern und zeigen, dass er es besser kann.
Der Umgang mit der AfD
Merz hat hier einen klaren Abgrenzungskurs zu den Rechtspopulisten von der AfD angekündigt, wie schon seine Vorgänger. Deutlich geworden ist diese Gangart bereits, als die CDU-Spitze vergangene Woche dem Vorsitzenden der erzkonservativen Werte-Union, Max Otte, die Mitgliederrechte entzog und ein Ausschlussverfahren einleitete. Grund ist, dass Otte auf AfD-Ticket für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert. Otte hat den Vorsitz der Werte-Union, die keine offizielle Parteigliederung ist, niedergelegt, aber angekündigt, er wolle um seine CDU-Mitgliedschaft kämpfen.
Verhältnis zu CSU-Chef Söder
An diesem Mittwoch und Donnerstag kommt die CSU-Landesgruppe im Bundestag in Berlin zu ihrer traditionellen Neujahrsklausur zusammen. Merz wie auch Söder sind eingeladen. Mit Spannung dürfte registriert werden, wie harmonisch die beiden starken Männer der Union miteinander umgehen. Disziplinierend könnten die Landtagswahlen wirken. Denn nicht nur die CDU steht vor wichtigen Entscheidungen. In Bayern wird 2023 ein neuer Landtag gewählt. Ein anhaltender Schwesternstreit dürfte sowohl der CDU als auch der CSU schaden.
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