Rom (dpa)

Draghi vor schwierigem Jahr: Kehrt Italien zum Chaos zurück?

Manuel Schwarz, dpa
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Von Manuel Schwarz, dpa
| 11.02.2022 16:48 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
An diesem Sonntag feiert Draghi sein einjähriges Jubiläum als Ministerpräsident. Foto: Alessandro Di Meo/Pool Ansa/ Lap/LaPresse via ZUMA Press/dpa
An diesem Sonntag feiert Draghi sein einjähriges Jubiläum als Ministerpräsident. Foto: Alessandro Di Meo/Pool Ansa/ Lap/LaPresse via ZUMA Press/dpa
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Einst wurde Italien belächelt, Politiker wie Berlusconi schadeten dem Renommee des Landes. Ministerpräsident Draghi wurde dann zum Glücksfall. Doch in seinem zweiten Jahr stehen ihm komplizierte Zeiten bevor.

Jahrelang schien in Italiens Politik eine Sache gewiss: Es regiert das Chaos, klare Verhältnisse und Stabilität gibt es in Rom nicht. Dann kam Mario Draghi und hievte das Land in neue Sphären, man wähnte sich auf Augenhöhe mit Deutschland und Frankreich.

Italien wurde bewundert statt belächelt und von der renommierten, englischen Wochenzeitung „The Economist“ sogar zum Land des Jahres 2021 gekürt.

An diesem Sonntag feiert Draghi sein einjähriges Jubiläum als Ministerpräsident. Nachdem er am 13. Februar 2021 als externer Retter eingesetzt wurde, läuft seine Amtszeit bis zu den nächsten Parlamentswahlen im Frühjahr 2023. Ob die zweite Hälfte der Mission so erfolgreich und harmonisch verläuft, ist jedoch ungewiss.

Droht Italien der Chaos-Rückfall?

Vor allem nach den turbulenten Wahlen des Staatspräsidenten jüngst, als sieben Wahlgänge scheiterten und am Ende Amtsinhaber Sergio Mattarella (80) entgegen seinem Willen wiedergewählt wurde, fragen sich Experten: Droht Italien der Rückfall in den Chaos-Modus?

„Ich habe einen klaren Plan“, sagte Draghi am Freitagnachmittag ausweichend. „Wir müssen schauen, was den Leuten wichtig ist und darauf Antworten finden. Das ist die Pflicht einer jeden Regierung.“

„Es wird schwierig für Draghi“, prognostiziert Politikwissenschaftler Roberto D'Alimonte. Der Professor der Römer Universität Luiss macht dafür vor allem die derzeitigen Parteienkrisen verantwortlich. Zur Erinnerung: Draghi wird von einer breiten Parlamentsmehrheit getragen, in seiner Regierung sind alle großen Parteien des Landes, außer den rechtsextremen Fratelli d'Italia, vertreten.

Wahlen erschütterten das Land

Die Wahlen zum Staatspräsidenten aber haben den vermeintlich stabilen Polit-Block, auf dem Draghi das neue Italien-Renommee gebaut hatte, erschüttert. Die Fünf-Sterne-Bewegung als größte Parlamentsfraktion steht wegen Führungszwists kurz davor, auseinander zu brechen.

Die Mitte-Rechts-Parteien Lega und Forza Italia werden aufgerieben davon, dass sie einerseits Regierungsparteien sind und loyal sein müssten. Andererseits wollen sie den Fratelli und deren populärer Parteichefin Giorgia Meloni nicht alle Wähler überlassen, die mit dem derzeitigen Regierungskurs und der Corona-Politik unzufrieden sind. „Wegen Meloni ist Lega-Chef Matteo Salvini sehr beunruhigt“, sagt Politikexperte D'Alimonte der Deutschen Presse-Agentur. „Denn Meloni sammelt gerade alle ein, die wütend sind.“ In Umfragen sind die Fratelli mit 20 Prozent derzeit die stärkste Rechts-Partei Italiens.

Es ist skurril: Jüngst wurde Staatspräsident Mattarella im Amt bestätigt - das Erfolgsduo Draghi-Mattarella kann also weitermachen. Doch der Ablauf der Wahl mit einer peinlichen Abstimmungswoche ohne Kompromissbereitschaft beutelte die Parteien. „Sie sind schwach, sie sind nervös“, analysiert D'Alimonte. „Nun wird es schwierig für Draghi, neue und wichtige Vorhaben umzusetzen.“

Bleibt Draghi über 2023 hinaus?

Dabei gilt es 2022, weitere Reformen abzuschließen und damit die nächsten, dringend benötigten Tranchen der 191,5 Milliarden Euro an EU-Hilfsgeldern zu sichern. Nicht weniger als 100 Ziele stehen 2022 für Draghi noch auf der To-Do-Liste des Corona-Wiederaufbauplans.

Zumindest eines ist nach Ansicht von D'Alimonte sicher: Die Regierung wird nicht vorzeitig zerbrechen. Und wer weiß in diesem Italien, ob Draghi nicht sogar über 2023 hinaus Ministerpräsident bleiben darf?

Der parteilose Politiker selbst schloss am Freitag zwar klar aus, dass er als Spitzenkandidat einer Gruppierung in den Wahlkampf gehen werde. Er wundere sich, dass er zuletzt für unterschiedliche Posten ins Spiel gebracht worden sei, so Draghi. „Falls ich nach dieser Aufgabe weiter arbeiten will, dann finde ich schon selbst einen neun Job.“

Sollten die Wahlen aber erneut für keine klaren Mehrheiten sorgen, könnte der 74-Jährige - ähnlich wie zuletzt schon Mattarella - noch einmal zur Hilfe gerufen werden, etwa von einem Bündnis der Reformwilligen. „Das wäre sogar eine erstrebenswerte Vorstellung“, sagte der sozialdemokratische Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori, der Zeitung „La Repubblica“ in dieser Woche. „Dann könnte man die Populisten und Anti-Europäer in die Opposition versetzen.“

Das würde zwar die Parteienlandschaft in Italien komplett durcheinander würfeln, dem Ansehen des Landes aber enorm helfen.

© dpa-infocom, dpa:220211-99-85396/2

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