Ottawa (dpa)
Berichte über nationalen Notstand in Kanada
Die Blockade einer wichtigen Wirtschaftsader in die USA ist gebrochen, doch die Proteste gegen die Corona-Politik der Regierung gehen weiter. Der Premier plant offenbar einen historischen Schritt.
Angesichts der seit Wochen aufgeheizten Proteste in Kanada gegen die Corona-Politik der Regierung plant Premier Justin Trudeau Berichten zufolge den erstmaligen Einsatz eines Notstandsgesetzes.
Der historische Schritt gegen überwiegend rechte Demonstranten unter anderem in der Hauptstadt Ottawa würde Trudeau kurzzeitig die Macht verleihen, Bürgerrechte zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung außer Kraft zu setzen. Von den Plänen der liberalen Regierung, mit dem erstmaligen Einsatz des Gesetzes seit seiner Erlassung in den 80er-Jahren gegen die Straßenblockaden in Ottawa durchzugreifen, berichtete unter anderem der öffentliche TV-Sender CBC.
Seit Wochen demonstrieren gegen Corona-Maßnahmen
Trudeau war am Wochenende mit seinem Krisenteam zusammengekommen. „Wir werden weiter sicherstellen, dass die zuständigen Behörden auf Stadt-, Provinz- und Landesebene das haben, was sie brauchen, um diese Blockaden zu beenden und die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen“, teilte er mit. Bereits zuvor hatte Trudeau angesichts der seit rund drei Wochen anhaltenden Trucker-Proteste die gewaltsame Auflösung von Blockaden nicht ausgeschlossen und die Blockaden illegal genannt. Mit Ontario hat eine der betroffenen Provinzen bereits einen Notstand ausgerufen.
Seit Wochen demonstrieren in Kanada Tausende Menschen gegen Corona-Maßnahmen und Impfvorschriften. Mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen blockieren sie unter anderem Teile der Innenstadt Ottawas. Gegenstand der Proteste waren zunächst Impfvorschriften für Lastwagenfahrer und danach die staatlichen Pandemiebeschränkungen insgesamt. Im Januar trat eine Verordnung in Kraft, nach der auch Lastwagenfahrer, die aus den USA zurückkehren, einen Impfnachweis vorlegen müssen.
Am Wochenende hatten Einsatzkräfte ein Epizentrum der Proteste geräumt: Nach fast einwöchiger Blockade fließt der Verkehr auf einer wichtigen Grenzbrücke zwischen der Stadt Windsor in Kanada und Detroit in den USA wieder. Nach einer einstweiligen Verfügung eines kanadischen Gerichts hatten die Behörden damit begonnen, die Proteste in der Gegend aufzulösen. Die Regierungen auf beiden Seiten der Grenze hatten zuvor vor den wirtschaftlichen Folgen der Blockade gewarnt.
Viele Festnahmen
Der Polizei von Windsor zufolge wurden am Wochenende mehr als zwei Dutzend Menschen festgenommen sowie ein Dutzend Fahrzeuge beschlagnahmt oder abgeschleppt. Die Blockade der Ambassador Bridge sowie weiterer Grenzübergänge führte nach Trudeaus Worten zum Stopp der Autoproduktion von sechs Herstellern wegen fehlender Teile. Über die Brücke fließen 25 Prozent des kanadisch-amerikanischen Güterverkehrs - das entspricht pro Tag einem Warenwert von umgerechnet 275 Millionen Euro. Die Region ist wirtschaftlich über die Grenze hinaus eng verwoben.
Andernorts gingen die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der kanadischen Regierung weiter. Nach Behördenangaben blieb am frühen Montagmorgen noch mindestens ein weiterer Grenzübergang zwischen Coutts in der kanadischen Provinz Alberta und Sweet Grass im US-Bundesstaat Montana geschlossen. Auch in Ottawa harrten Trucker trotz eisiger Kälte weiter aus. Dort habe es am Wochenende ebenfalls zahlreiche Festnahmen gegeben, teilte die Polizei mit. Die Demonstranten hätten teils „aggressives Verhalten“ gezeigt und Polizisten „überwältigt“.
Weite Teile der Bevölkerung hatten Trudeaus teilweise sehr strikten Anti-Covid-Kurs in den vergangenen zwei Jahren mitgetragen. In jüngsten Studien zeichnet sich allerdings eine mögliche Trendwende ab, auch wenn das Bild noch nicht eindeutig ist. Auch einige Anhänger des 50-Jährigen nahmen der grassierenden Omikron-Variante geschuldete Maßnahmen wie neue Reiseeinschränkungen und von lokalen Regierungen verordnete Schließungen der Innenräume von Bars und Restaurants als übertrieben wahr.
© dpa-infocom, dpa:220214-99-114041/3