Brüssel (dpa)

Gegen Ausbeutung: Firmen sollen Zulieferer strenger prüfen

Marek Majewsky, dpa
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Von Marek Majewsky, dpa
| 23.02.2022 05:38 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Das neue EU-Lieferkettengesetz könnte noch strenger werden als deutsche Regelungen. Foto: K M Asad/dpa
Das neue EU-Lieferkettengesetz könnte noch strenger werden als deutsche Regelungen. Foto: K M Asad/dpa
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Für Profite größerer Firmen, die in der EU aktiv sind, sollen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung vermieden werden. Die EU-Kommission stellt dazu einen Gesetzesvorschlag vor.

Der Bundestag hat bereits ein Gesetz beschlossen, nun legt die EU-Kommission nach: Große Firmen in der EU sollen für Kinder- oder Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden.

Die Brüsseler Behörde präsentierte einen Vorschlag für ein entsprechenes EU-Lieferkettengesetz. Die Richtlinie könnte strenger werden als die deutsche Regelung. Zum einen könnten deutlich mehr Firmen von den neuen Regeln betroffen sein, zum anderen noch stärker auf Umweltzerstörung eingegangen werden.

Welche Firmen hauptsächlich betroffen sind

Konkret sieht der Entwurf mehrere Grenzen vor. EU-Firmen sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeiter haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist - etwa die Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft. Hier sind 250 Angestellte und 40 Millionen Euro Umsatz vorgesehen. Bei Firmen aus Drittstaaten gilt nur der Umsatz, dieser muss aber in der EU erwirtschaftet werden.

Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 13.000 EU-Firmen und 4000 Firmen aus Drittstaaten betroffen. Es gibt aber auch andere Schätzungen: Der CDU-Politiker Markus Pieper geht davon aus, dass allein 14.000 deutsche Unternehmen betroffen sein könnten.

Welche Unterschiede es zum deutschen Gesetz gibt

Während die geplante EU-Richtlinie noch weiter vom Europaparlament und den EU-Ländern verhandelt werden muss, ist das deutsche Gesetz schon beschlossen. Es gilt ab 2023, und zwar vorerst für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Von 2024 an sinkt diese Schwelle auf 1000 - ein Umsatzkriterium ist nicht vorgesehen. Laut Statistik gibt es in Deutschland rund 2890 Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. Auch Umweltzerstörungen sind von dem Gesetz erfasst, aber nur wenn diese mit Leid bei Menschen oder Korruption einhergehen.

Im geplanten EU-Gesetz ist zudem vorgesehen, dass Opfer von Verstößen gegen Arbeitsrechte und Umweltauflagen die Möglichkeit hätten, vor den zuständigen nationalen Gerichten zu klagen. Dies ist dem Entwurf zufolge jedoch nur für Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern vorgesehen, die auf Dauer angelegt sind. Sollte die Richtlinie wie nun vorgeschlagen in Kraft treten, müsste das deutsche Gesetz angepasst werden.

Was auf die Firmen zukommt

Dem Vorschlag zufolge sollen die Mitgliedstaaten Regeln für die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Schäden festlegen. Dazu zählt, dass die betroffenen Unternehmen ermitteln müssten, ob sich ihre Geschäfte nachteilig auf Menschenrechte und Umwelt auswirken, und Verstöße falls erforderlich abmildern oder verhindern. Gegen Unternehmen, die sich nicht an die Vorgaben halten, könnten EU-Länder etwa Geldbußen verhängen, wie die Kommission mitteilte.

Was das Gesetz für Verbraucher bringt

Verbraucher sollten darauf vertrauen können, dass keine mit Kinder- oder Zwangsarbeit produzierten Produkte angeboten werden oder Profit auf Kosten der Umwelt gemacht wird. Zugleich ist es möglich, dass weniger Produkte zu sehr billigen Dumpingpreise im Angebot sind, wenn Niedrigstlöhnen die Basis entzogen wird.

Wie der Gesetzentwurf bewertet wird

Es gibt Kritik und Lob. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt vor einer Überlastung deutscher Unternehmen. „Es drohen enormer Aufwand und hohe Kosten - für vergleichsweise wenig Wirkung“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Deutschen Presse-Agentur. Ähnlich äußerten sich die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie und zahlreiche weitere Wirtschaftsverbände.

Das Bündnis „Initiative Lieferkettengesetz“, in dem etwa Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, begrüßt hingegen den Entwurf und spricht von einem Grundstein für weniger Ausbeutung und Umweltzerstörung. Der Initiative geht der Entwurf jedoch nicht weit genug: „Für den großen Wurf müsste die EU aber die heißen Eisen konsequenter anfassen: Sorgfaltspflichten nicht nur für große Unternehmen“, sagte ein Sprecher der Initiative der dpa. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte das Gesetz grundsätzlich, wünscht sich aber mehr Mitspracherecht für Arbeitnehmervertretungen.

Ähnlich auseinander gehen die Meinungen in der Politik. Während Politikerinnen und Politiker der Grünen und der SPD das Vorhaben der EU-Kommission begrüßen, geht es Unionspolitikern und der FDP zu weit. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einem starken Aufschlag und hofft, dass vor allem Frauen von der geplanten Richtlinie profitieren.

„Es ist gut, dass die EU-Kommission ein ambitioniertes Lieferkettengesetz vorschlägt“, sagte etwa die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne). „Für uns ist klar, dass die großen Konzerne, die vom Vorschlag erfasst sind, auch ihren Treibhausgas-Ausstoß reduzieren müssen“, so der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken.

„Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich europäische Unternehmen infolge dieses Vorschlags aus einigen Regionen dieser Welt zurückziehen“, sagte der CSU-Politiker Markus Ferber. Er befürchtet, dass diese Lücken durch chinesische Konkurrenz genutzt würden. Svenja Hahn von der FDP kritisiert, dass das Vorhaben den Unternehmen zu viel Bürokratie auflasten könnte.

© dpa-infocom, dpa:220223-99-246017/4

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