Kaiserslautern (dpa)
Tötung von Polizisten - Nur noch ein Tatverdächtiger
Eine Verkehrskontrolle in dunkler Nacht - doch plötzlich fallen Schüsse. Zwei Polizisten sterben. Rund einen Monat später halten die Ermittler nur noch einen der beiden Verdächtigen für den Mörder.
Einer Streife fällt gegen 4.00 Uhr morgens an einer Kreisstraße in der Pfalz ein stehender Kastenwagen auf. Der 29 Jahre alte Oberkommissar und die 24 Jahre alte Polizeianwärterin wollen die Insassen kontrollieren - und werden erschossen.
Die beiden mutmaßlichen Täter werden noch am selben Tag im saarländischen Sulzbach gefasst.
Am Tag darauf werden die 32 und 38 Jahre alten deutschen Männer wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Mordes in Untersuchungshaft genommen. Nach rund einem Monat intensiver Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern aber überzeugt: Nur der 38-Jährige hat geschossen. Fünf Mal. Und er tötete zwei Polizisten mit Schutzwesten.
Den Mordvorwurf gegen den 32-Jährigen lässt die Anklagebehörde fallen. Gemeinschaftliche gewerbsmäßige Jagdwilderei zur Nachtzeit wird aber beiden deutschen Männern weiterhin vorgeworfen. Diese habe mit den Schüssen vertuscht werden sollen. Der 32-Jährige gab während der Ermittlungen an, er habe gerade ein von dem anderen Beschuldigten erschossenes Wildschwein zum Auto bringen wollen, als die Streife mit ihrem Zivilfahrzeug hielt. Gegen ihn wird jetzt noch der Vorwurf der Vereitelung der Strafverfolgung erhoben. Der 38-Jährige schweigt zu den Vorwürfen.
Erst für unmöglich gehalten
Die Ermittler hatten es nach eigener Darstellung zunächst für unmöglich gehalten, dass bei dem „dynamischen“ Geschehen ein Mann allein fünf Schüsse aus zwei verschiedenen Waffen habe abgeben können - zumal drei der Schüsse aus einem Gewehr abgefeuert wurden, das nach jedem Schuss auseinandergeklappt und neu geladen werden müsse. Und dies, während der Polizeibeamte selbst zugleich mindestens 14 Mal geschossen habe.
Die Ermittlungsergebnisse hätten dies widerlegt: Der mutmaßliche Mörder war demnach „ein sehr guter Schütze“. Er habe Schießerfahrung gehabt, auch mit einem Jagdgewehr (Einlader), und daher sehr schnell nachladen können. Der Mann habe eine Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen sowie einen Jagdschein gehabt, seit er 16 Jahre alt war (1999). Dieser Schein sei nach einer Unterbrechung (2008 bis 2012) im März 2020 ausgelaufen und nicht verlängert worden.
Der 32-Jährige sei hingegen kein geübter Schütze gewesen. Er habe auch nie eine Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen oder einen Jagdschein besessen. Die beiden Tatwaffen sind den kriminaltechnischen Untersuchungen zufolge eine doppelläufige Schrotflinte und ein Jagdgewehr Winchester Bergara 308. Beide seien bei der Festnahme der Männer im saarländischen Sulzbach sichergestellt worden.
Nur Spuren eines Täters an den Waffen
An beiden Waffen seien nur Finger- und DNA-Spuren des 38-Jährigen festgestellt worden. Die technisch langwierigen Untersuchungen auf Schmauchspuren seien zwar noch nicht abgeschlossen. Allerdings seien davon auch keine Ergebnisse „mit entscheidender Aussagekraft“ zu erwarten, weil beide Männer in der Nähe der abgegebenen Schüsse gewesen seien.
In einer Vernehmung am Tatort habe der 32-Jährige seine Angaben wiederholt, zwar bei der Jagd in der Tatnacht und am Tatort dabei gewesen zu sein, selbst aber nicht geschossen zu haben. Diese Aussagen habe er mit zahlreichen Einzelheiten über den Verlauf ergänzt.
Wie der 38-Jährige in den Besitz der beiden Tatwaffen kam, ist noch nicht geklärt. Er hatte keine waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen mehr. Die Waffen sind auf der Besitzkarte einer anderen, berechtigten Person eingetragen. Einzelheiten dazu nannten die Ermittler nicht.
Umgebauter Kastenwagen
Der Kastenwagen, mit dem die beiden Beschuldigten unterwegs waren, war den Ermittlungen zufolge im Sommer 2021 für den Transport größerer Wildmengen umgebaut worden. 22 geschossenen Rehe und Hirsche hatten die Ermittler darin sichergestellt.
Der 38-Jährige habe nach Aussage des jüngeren Beschuldigten in der Tatnacht von dem stehenden Auto aus mit Hilfe eines Nachtsichtgeräts das Wildschwein geschossen. Der 32-Jährige sei mit einer Wärmebildkamera auf das an die Straße angrenzende Feld gegangen, um das geschossene Tier zu holen. Genau zu diesem Zeitpunkt sei die Polizeistreife eingetroffen.
Der 32-Jährige sei daraufhin zurück zum Kastenwagen gegangen. Der Polizeibeamte habe am Streifenwagen gefunkt, der 38-Jährige sei mit einer an die Polizeibeamtin gerichteten Bemerkung zu seinem Wagen gegangen, er wolle die verlangten Dokumente holen. Als kurz darauf die ersten Schüsse fielen, habe der 32-Jährige Deckung im Straßengraben gesucht.
Die 24 Jahre alte Polizeibeamtin wurde von einem Schuss aus der doppelläufigen Schrotflinte tödlich getroffen. Ihr 29 Jahre alter Kollege wurde von einem Schrotschuss verletzt. Tödlich seien drei weitere Schüsse aus dem Jagdgewehr gewesen, berichtete die Staatsanwaltschaft.
Es gebe keinen Haftgrund mehr für seinen 32 Jahre alten Mandanten, da die Straferwartung bei den Vorwürfen „gegen null“ gehe, sagte sein Anwalt Christian Kessler in Saarbrücken. Zudem habe der Beschuldigte bei den Ermittlungen „Aufklärungshilfe“ geleistet, die aber „nicht ansatzweise realistisch“ bewertet worden sei. „Hier wird die gesetzliche Wertung der "Kronzeugenregelung" ad absurdum geführt.“
© dpa-infocom, dpa:220301-99-337725/5