Brüssel/Moskau (dpa)

Russischer Friedensnobelpreisträger warnt vor Atomkrieg

| 03.03.2022 10:54 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow ist Chefredakteur der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“. Foto: Hakon Mosvold Larsen/NTB Scanpix/AP/dpa
Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow ist Chefredakteur der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“. Foto: Hakon Mosvold Larsen/NTB Scanpix/AP/dpa
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Es sind beunruhigende Worte, aber der russische Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow hält den Einsatz nuklearer Waffen nicht mehr für ausgeschlossen.

Der russische Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow warnt vor der Gefahr eines Atomkriegs nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

„Das wäre natürlich ein Alptraum, aber ich schließe nicht aus, dass es irgendwann tatsächlich Versuchungen geben könnte, auf den nuklearen Knopf zu drücken“, sagte der regierungskritische Journalist nach den Worten einer Übersetzerin am Donnerstag in einer Anhörung des Europaparlaments. „Es gibt hier tatsächlich die Gefahr eines Nuklearkriegs.“

Er begründete diese Furcht mit Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Außenminister Sergej Lawrow. Dieser hatte am Mittwoch gesagt, der dritte Weltkrieg werde ein Atomkrieg sein. Auch im russischen Staatsfernsehen werde diese Drohung jetzt häufig genannt.

„Die Zukunft unserer Kinder wurde hier kaputt gemacht“

„Für mich ist das extrem beunruhigend“, sagte Muratow. Vor einigen Wochen hätte sich auch niemand vorstellen können, dass Russland die Ukraine attackieren würde. „Daran hat auch niemand geglaubt“, sagte Muratow. Der 60-Jährige führt die kremlkritische Zeitung „Nowaja Gaseta“. Er wurde 2021 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Er wiederholte scharfe Kritik an dem von Putin begonnen Krieg auf die Ukraine. „Es gab keine Entschuldigung für diesen Befehl“, sagte Muratow der Simultanübersetzung zufolge. Viele Russen wollten diesen Krieg nicht, selbst wenn sie Putin unterstützten. „Die Zukunft unserer Kinder wurde hier kaputt gemacht“, gab die Übersetzerin Muratows Worte wieder. Widerstand der Eliten um Putin erwartet er jedoch nicht. Sie seien untrennbar mit dem Präsidenten verbunden und auf ihn angewiesen.

Der Journalist kritisierte auch die Schließung des Radiosenders Echo Moskwy, der ebenso wie seine Zeitung den Krieg kritisiert habe. Das sei der Grund, warum der Sender geschlossen worden sei. „Jede Aussage gegen den Krieg wird behandelt als Hochverrat“, sagte Muratow.

Lawrow wirft Westen nukleare Panikmache vor

Angesichts von Warnungen vor einem Atomkrieg hat Russland dem Westen Panikmache vorgeworfen. „Alle wissen, dass ein Dritter Weltkrieg nur ein nuklearer sein kann“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag. Diese Frage stelle sich aber nur in den Köpfen westlicher Politiker und nicht in denen der Russen.

„Ich versichere Ihnen, dass wir keine Provokationen zulassen werden, die uns das Gleichgewicht verlieren lassen“, sagte Lawrow in einem vom Staatsfernsehen übertragenen Gespräch mit russischen und internationalen Medien. „Aber wenn (der Westen) anfängt, einen echten Krieg gegen uns zu entfesseln, sollten diejenigen, die solche Pläne aushecken, darüber nachdenken, und sie denken meiner Ansicht darüber nach.“

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte angeordnet, die Abschreckungswaffen der Atommacht in erhöhte Alarmbereitschaft zu setzen. Dazu gehören auch Atomwaffen.

Lawrow betonte nun: „Wir haben eine Militärdoktrin, die die Parameter und Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen beschreibt.“ Eine „Eskalation um der Deeskalation willen“ werde es nicht geben, sagte er. „Aber das Gespräch über einen Atomkrieg ist jetzt im Gange.“ Das liege allein am Westen. Er warf westlichen Staaten auch „Hysterie“ vor.

© dpa-infocom, dpa:220303-99-365814/3

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