Peking (dpa)
Forster will „in Peking eine coole Socke sein“
In Pyeongchang holte Anna-Lena Forster zweimal Gold im Monoski. Bei diesen Paralympics erwartet man diese noch mal von ihr. Und eigentlich mehr. Ein großer Druck für die Fahnenträgerin.
Mentale Betreuung nutzt Anna-Lena Forster nicht erst jetzt. Als Athletin wie als studierte Psychologin ist der Monoskifahrerin dieser Aspekt im Leistungssport mehr als bewusst.
Und weil sie vielleicht auch deshalb so stark wurde, wird sie dieses Wissen in China nutzen können und müssen. Denn die 26-Jährige ist nicht nur Deutschlands Fahnenträgerin bei der Eröffnungsfeier, sondern auch mit Abstand größte Hoffnung bei den Winter-Paralympics in Peking. Und steht damit unter dem großen Druck, liefern zu müssen.
„Mit dieser neuen Drucksituation muss ich erst einmal klarkommen“, gibt Forster zu, die seit einiger Zeit mit Zsuzsanna Zimanyi, Sportpsychologin und Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt Freiburg zusammenarbeitet: „Die Frage ist: Wie gehe ich damit um, dass die Aufmerksamkeit auf mir liegt? Aber ich fühle mich mental gut gestärkt und hoffe, dass ich auch in Peking eine coole Socke sein kann.“
Schaffelhuber glaubt an Forster
Das war Forster tatsächlich schon immer, versichert Anna Schaffelhuber. „Ich bin sicher, sie geht mit breitem Kreuz da rein“, sagt die zurückgetretene siebenmalige Paralympicssiegerin in Forsters Klasse: „Wovor ich bei ihr immer schon Respekt hatte: Sie konnte sich immer überwinden und ihre Leistung genau dann in den Schnee bringen, wenn es gezählt hat. Während ich im Rennen immer ein klein wenig langsamer war als im Training, wurde sie noch schneller. Deshalb glaube ich, dass sie auch mit der ungewohnten Situation gut umgehen wird.“
2014 in Sotschi gewann Schaffelhuber bei fünf Starts fünf Goldmedaillen und wurde zur „Gold-Anna“, die damals 18-Jährige Forster holte schon zweimal Silber und einmal Bronze. Bei den letzten Spielen 2018 in Pyeongchang ging das freundschaftliche Gold-Duell schon 2:2 aus. In diesen beiden Disziplinen, im Slalom und in der Kombi, „ist sie in Peking eine sichere Bank“, glaubt Schaffelhuber: „Aber Favoritin ist sie für mich in allen fünf Disziplinen.“
Gleich am Samstag geht Forster erstmals an den Start. In der Abfahrt ist der Druck eigentlich noch im Rahmen, doch sie wird ein wichtiger Wegweiser sein. Bei der WM im Januar gewann Forster, die eine Femurhypoplasie hat - ihr Oberschenkel ist stark verkürzt, im Schienbein fehlen Knochen, das rechte Bein komplett - viermal Gold. Doch da war ihre stärkste Konkurrentin, die Japanerin Momoka Muraoka, nicht dabei. „Und die wahrscheinlich starke chinesische Konkurrenz habe ich seit Pandemiebeginn nicht mehr gesehen“, sagt Forster. Im Abfahrtstraining wurde sie Zweite hinter Muraoka. „Vielleicht war es gar nicht schlecht, dass sie nicht gewonnen hat“, sagt Bundestrainer Justus Wolf: „Nach dem Motto: Keine optimale Generalprobe, umso bessere Premiere.“
Forster freut sich auf die Eröffnungsfeier
Das „I-Tüpfelchen“ für Forster gab es schon vor dem ersten Wettkampf in Form der Ehre als Fahnenträgerin. Als „Vorbilder für Menschen mit und ohne Behinderung“ habe man sie und Biathlet Martin Fleig gewählt, sagt Chef de Mission Karl Quade. Und Forster nahm an, obwohl dies die Vorbereitung auf den ersten Wettkampf beeinträchtigt. „Die Motivation, die mir die Eröffnungsfeier bei den vergangenen Spielen gegeben hat, war immer groß“, sagt sie: „Für dieses Erlebnis lohnt sich die weite Anreise ins Stadion und zurück.“
Und was holt sie jetzt für das durch Rücktritte, Krankheiten und Verletzungen schwer ausgedünnte deutsche Team? „Ich möchte Spaß haben und mit mir und meiner Leistung zufrieden sein“, sagt Forster zunächst vorsichtig. Um dann klarzustellen: „Natürlich bin ich hier, um Medaillen zu gewinnen. Und eine Goldmedaille muss mindestens drin sein.“
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