Frankfurt/Main (dpa)
Frauen, Image, Machtkämpfe: Beim DFB muss sich viel ändern
Am Freitag wird gewählt. Der neue DFB-Präsident muss etliche Aufgaben bewältigen. Viele Altlasten beschäftigen den Deutschen Fußball-Bund.
262 Delegierte wählen beim Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes an diesem Freitag (ab 10.15 Uhr) in Bonn den neuen DFB-Präsidenten. Das Wort „Neuanfang“ war vielfach zu hören in den vergangenen Monaten - und der scheint nach drei Präsidenten seit 2012 bitter nötig.
„Fußball-Mafia“ schmierten Unbekannte zuletzt auf die Fassade der DFB-Zentrale in Frankfurt, so viel zum Image. Der Neue an der Spitze muss etliche Aufgaben angehen, sonst droht die nächste Krise. Die größten Baustellen des Verbandes:
Image:
Christian Seifert, zum Jahresende ausgeschiedener Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), beklagte ein „dysfunktionales System“ beim Nachbarn DFB. Der Verband erntet regelmäßig Kritik aus der Liga und der Politik. Vor allem die unrühmlichen Abgänge der Präsidenten Wolfgang Niersbach beim Sommermärchen-Skandal, von Reinhard Grindel, dem eine Luxusuhr eines Oligarchen zum Verhängnis wurde, und von Fritz Keller beschädigten das Bild des Verbandes massiv. Letzterer hatte seinen Vize Rainer Koch mit einem Nazirichter verglichen.
Laufende Verfahren:
Vergangene Woche gab es mal wieder eine Hausdurchsuchung in der DFB-Geschäftsstelle in Frankfurt. Diesmal ging es um den Verdacht der Untreue wegen eines Vertrags mit einer Kommunikationsagentur. Anhängig, gegen einige Personen aber auch eingestellt, ist ein anderes Ermittlungsverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bei Einnahmen aus Bandenwerbung. Bei einem weiteren geht es um die Versteuerung der Zuwendungen von Sponsor Adidas.
Machtkämpfe:
Die Aufstellung der Führungsspitze führt beim DFB immer wieder zu Ränkespielen. Der Konflikt zwischen Fritz Keller, Generalsekretär Friedrich Curtius, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Vize Rainer Koch wurde wochenlang durch die Medien getragen. Den Landesverbandspräsidenten wird vorgeworfen, sich auf komfortablen Positionen auszuruhen. Geklärt werden soll beim Bundestag auch der künftige Umgang mit der Vergütung der Präsidiumsmitglieder, die zuletzt noch ein Ausschuss festgelegt und veröffentlicht hatte.
Altlasten:
Noch immer ist nicht aufgeklärt, was genau mit den inzwischen legendären 6,7 Millionen Euro geschehen ist, die vor der Heim-WM 2006 im Einflussbereich eines später lebenslang gesperrten FIFA-Funktionärs aus Katar gelandet sind. Das Kriminalstück lebt auch von den weiteren Rollen: Franz Beckenbauer war involviert, Robert Louis-Dreyfus und die FIFA ebenso. Die jahrelangen Untersuchungen des Falls führten zwar immer ein Stück weiter in den Skandal hinein, nie aber zur endgültigen Lösung des Rätsels.
Gleichberechtigung:
Hannelore Ratzeburg war über viele Jahre die einzige Vertreterin im Präsidium - im DFB haben immer noch durchweg Männer das Sagen. Das gilt auch für die 21 Landesverbände. Ausnahme: Interims-Generalsekretärin Heike Ullrich. Die Reformbewegung „Fußball kann mehr“ mit prominenten Frauen hat angesichts der Aussichtslosigkeit gar keine Präsidentschaftskandidatin ins Rennen geschickt. Die Gegenspieler Peter Peters und Bernd Neuendorf haben jeweils eine Frau in ihrem Schattenkabinett: Sportwissenschaftlerin Silke Sinning und Ex-Nationalspielerin Celia Sasic.
Finanzen:
Im Fußball fließt enorm viel Geld. Natürlich auch beim DFB, der kurz vor dem Abschluss eines Großprojekts steht. In der Nachbarschaft der alten DFB-Zentrale in Frankfurt entstand der neue, über 100 Millionen Euro teure Campus. „Der Prüfungsausschuss beobachtet seit Jahren mit großer Sorge die mittelfristige Finanzsituation des DFB, die eine besorgniserregende Entwicklung genommen und ein strukturelles Defizit auch in den nächsten Jahren zur Folge hat“, zitierte die „Frankfurter Rundschau“ aus einem internen DFB-Bericht. Die Rücklagen des Verbandes betrugen zum 31. Dezember 2020 knapp 100 Millionen Euro.
Verbandsstreit:
Ums Geld geht es auch im Dauerkonflikt zwischen DFB und DFL, der mal größer, mal kleiner erscheint. Das wirtschaftliche Auskommen bestimmt der sogenannte Grundlagenvertrag, der 2023 ausläuft und im Amateurbereich kritisch gesehen wird. Bei den Amateuren kommen sechs Millionen Euro pro Jahr an, was angesichts der Milliardenumsätze der Liga den Kritikern als zu wenig erscheint. Neues Personal, neues Glück? „Seit dem Amtsantritt von Hans-Joachim Watzke und Donata Hopfen gibt es eine sehr partnerschaftliche und effektive Zusammenarbeit an der Spitze des DFB“, sagte Koch über den neuen DFL-Aufsichtsratschef und die neue DFL-Geschäftsführerin.
Struktur:
Der DFB hat mehr als 7,1 Millionen Mitglieder, ist damit der mitgliederstärkste Einzelsportverband der Welt. Der Bundestag sei „quasi das deutsche Fußball-Parlament“, schreibt der Verband selbst. Von unten nach oben gewählt wird aber keinesfalls. Die Struktur mit fünf Regional- und 21 Landesverbänden und der daraus resultierenden Besetzung des Präsidiums gibt immer wieder Anlass zur Kritik. Die Entscheidungsfindung scheint oftmals noch Hinterzimmerpolitik. Die wirtschaftlichen Aktivitäten sind inzwischen in eine eigene GmbH ausgegliedert.
Fans:
Vor allem für die Ultra-Szene ist der DFB schon lange ein Rotes Tuch. Die Entfremdung verstärkte sich zu Corona-Zeiten. Fan-Organisationen bemühten sich, mit Konzepten und Initiativen um mehr Mitspracherecht - nicht nur - im Profigeschäft. Die Nationalmannschaft zeigt mit einigen Aktionen zwangsläufig wieder mehr Nähe zu ihren Anhängern, weil sie vielen zu entrückt war.
Sportliche Krise:
Mit dem Vorrunden-Aus bei der WM 2018 in Russland stürzte der erfolgsverwöhnte deutsche Fußball tief in die Krise. Wo das zuletzt deutlich verbesserte Team des neuen Bundestrainers Hansi Flick international steht, wird sich beim Endrundenturnier 2022 in Katar zeigen. Zudem plagen den DFB Nachwuchssorgen unterhalb der U21, das betrifft auch die Mädchen und Jungs an der Basis. „Dauerhaft in der Weltspitze“ - mit diesem Ziel verfolgt der Verband sein „Projekt Zukunft“.
Europameisterschaft:
Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte die Bewerbung um die EM 2024 als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet. Der DFB setzte sich damals gegen die Türkei durch. In zwei Jahren soll nun wieder ein neues Sommermärchen in Deutschland steigen. Die Voraussetzung dafür ist eine Nationalmannschaft, die mithalten kann - und ein Verband, der vorher nicht durch weitere Krisen den Leuchtturm einreißt. Als EM-Organisationschef dabei vorangehen soll Philipp Lahm.
© dpa-infocom, dpa:220309-99-447750/2