Seoul (dpa)
Große Herausforderungen für Südkoreas neuen Präsidenten
Der Konservative Yoon Suk Yeol erlebte einen raschen Aufstieg in die Politik. Jetzt verspricht er, vieles anders zu machen als die jetzige Regierung.
Am Ende jubelten die wartenden Parteifreunde von Yoon Suk Yeol im Parlamentsgebäude in Seoul und riefen „Regierungswechsel, Regierungswechsel“.
Das war auch das Motto des 61-jährigen Yoon während des wochenlangen Wahlkampfs. Es dauerte bis in die frühen Morgenstunden, bis das Ergebnis der 20. Präsidentenwahl in Südkorea feststand. Der konservative Oppositionskandidat siegte am Ende mit einem hauchdünnen Vorsprung vor dem linksliberalen Lee Jae Myung von der regierenden Demokratischen Partei. Der Abstand betrug weniger als ein Prozentpunkt - es war die engste Präsidentenwahl, die das Land jemals erlebt hat.
Der knappe Ausgang der Wahl spiegelt nach Ansicht von Experten auch ein tief gespaltenes Land. „Eines der größten Probleme der koreanischen Gesellschaft ist die stark polarisierte politische Landschaft“, sagt die Programm-Managerin Lim Sung Eun von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Das treffe auch auf andere Bereiche wie etwas die Geschlechtergleichstellung zu. Die soziale Integration sollte die erste Aufgabe des Wahlsiegers sein.
Umstrittener Neu-Politiker
Für die Konservativen, die noch bei der Wahl vor fünf Jahren eine klare Niederlage erlebt hatten, war Yoon zum Hoffnungsträger geworden. Doch ist er genauso wie Lee Jae Myung in großen Teilen der Bevölkerung nicht unumstritten. Wurde Lee von seinen Gegnern als Populist kritisiert, hielt man Yoon dagegen vor, politisch unerfahren zu sein und von Außenpolitik nichts zu verstehen.
Auch wurde Yoon wiederholt wegen verbaler Unachtsamkeiten angegriffen, etwa als er den früheren Militärdiktator Chun Doo Hwan wegen seiner politischen Führung pries. Der Wahlkampf selbst war von politischen Schlammschlachten zwischen den beiden wichtigsten Kandidaten geprägt. „Es ist schade, dass die Koreaner dazu gedrängt wurden, eine Wahl zwischen zwei „Unbeliebten“ zu treffen“, schrieb die Zeitung „The Korea Herald“ am Donnerstag.
Yoon erlebte einen meteoritenhaften Aufstieg ins politische Geschäft. Erst im März 2021 trat er als oberster Staatsanwalt des Landes zurück. Im Juli registrierte er sich dann als unabhängiger Präsidentschaftsbewerber, bevor er später von der größten Oppositionspartei zu ihrem Kandidaten gekürt wurde.
Unter dem noch amtierenden Präsidenten Moon Jae In wurde er zum Generalstaatsanwalt ernannt. Doch das Verhältnis der beiden erhielt schon bald Risse, als Yoon gegen Mitglieder des inneren Zirkels um Moon ermittelte. Während des Wahlkampfs hatte Yoon der Regierung Moons „Korruption und Inkompetenz“ vorgeworfen. In einem Zeitungsinterview sagte Yoon im Februar, er wolle bei einem Wahlsieg Untersuchungen zu den „tief wurzelnden Bösartigkeiten“ der Regierung in die Wege leiten. Der Präsident warf Yoon „grundlose“ Beschuldigungen vor.
Unzufriedenheit mit Moon
In der Wahl Yoons zeigt sich nach Ansicht von Experten auch die Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung mit der jetzigen Regierung des Reformpolitikers Moon. Insbesondere die galoppierenden Immobilienpreise haben tiefe Spuren hinterlassen. Als Präsident - im Mai übernimmt er für fünf Jahre das Amt - will Yoon 2,5 Millionen Wohnungen bauen lassen, um die Nachfrage zu decken.
Wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen in Asiens viertgrößter Volkswirtschaft geht, setzt Yoon stärker auf Initiativen der Unternehmen statt auf staatlich gesteuerte Projekte. Auch will er als Deregulierer auftreten. Zudem will er den vom Regierungslager geplanten Ausstieg aus der Atomenergie rückgängig machen und das Ministerium für Geschlechtergleichstellung und Familie abschaffen.
Eine der größten Herausforderungen wird jedoch Nordkorea und das weitere Vorgehen im Streit um das Atomwaffenprogramm des Nachbarlandes sein. Yoon will mit einer stärkeren Allianz zu den USA im Rücken härter gegen Pjöngjang vorgehen. Einen innerkoreanischen Friedensvertrag werde seine Regierung erst dann vorbereiten, „wenn Nordkorea aktive Anstrengungen für eine komplette und nachprüfbare Denuklearisierung unternimmt“.
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