Berlin/Ankara (dpa)
Scholz bei Erdogan in Ankara: Ukraine-Krieg im Mittelpunkt
Guter Draht nach Kiew und Moskau, Ausrichter hochrangiger Gespräche beider Seiten: Die Türkei hat sich als Vermittler im Ukraine-Krieg etabliert. Dafür wird sich auch Kanzler Scholz interessieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist zu seinem Antrittsbesuch in die Türkei, der ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs stehen wird.
In der Hauptstadt Ankara trifft er am Nachmittag Präsident Recep Tayyip Erdogan zu einem Gespräch, an das sich ein Abendessen anschließt. Noch am selben Tag reist Scholz zurück nach Berlin.
Die Türkei hat sich im Ukraine-Konflikt als Vermittler etabliert. Das Nato-Land hat enge Beziehungen zur Ukraine und zu Russland, Ankara grenzt im Schwarzen Meer an beide Länder. Erdogan hat immer wieder betont, keinen der beiden Partner aufgeben zu wollen und hat sie vergangene Woche erstmals seit Kriegsbeginn auf Außenministerebene an einen Tisch gebracht.
Außenministertreffen zunächst ohne Ergebnisse
Am Donnerstag kamen die Chefdiplomaten Dmytro Kuleba und Sergej Lawrow im südtürkischen Badeort Antalya zusammen. Die Gespräche blieben zwar weitgehend ergebnislos. Dass sie überhaupt stattfanden, wurde aber nicht nur von der Türkei selbst, sondern auch von westlichen Verbündeten als diplomatischer Erfolg gewertet.
Die Türkei rückt im Zuge der Ukraine-Krise auch wieder enger mit Ländern zusammen, mit denen sie schwierige Beziehungen hat - namentlich Griechenland und Israel. Am Sonntag reiste der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis erstmals zu einem Treffen mit Erdogan nach Istanbul. In der vergangenen Woche war der israelische Präsident Izchak Herzog in der Türkei.
Scholz: „Gesprächsfaden nicht abreißen lassen“
Auch Scholz versucht zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Ukraine-Krieg zu vermitteln. Zuletzt sprachen die beiden zwei Mal innerhalb von drei Tagen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bei einem 75-minütigen Telefonat am Samstag drangen sie auf einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und auf einen Einstieg in eine diplomatische Lösung des Konflikts.
„Ich bin sicher, dass es absolut notwendig ist, dass wir den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen“, sagte Scholz am Freitag nach dem EU-Gipfel im französischen Versailles. „Ich und der französische Präsident sind sicherlich diejenigen, die jetzt am intensivsten mit dem russischen Präsidenten immer wieder sprechen - rückgekoppelt immer wieder auch im Gespräch mit der ukrainischen Führung.“
Türkei war auch Ausgangspunkt für Schröders Mission
Es gibt aber auch noch einen anderen Deutschen, der offenbar eine Vermittlerrolle einnehmen möchte: Altkanzler Gerhard Schröder, der vergangene Woche in Moskau war, um mit seinem langjährigen Freund Putin zu sprechen. Auch dabei spielt die Türkei eine Rolle. Schröder flog nach Informationen der dpa und anderer Medien über Istanbul nach Moskau. Er soll in der Bosporus-Metrople vor seiner Reise auch Gespräche mit der ukrainischen Seite geführt haben.
Vielleicht spielt auch dieser Vermittlungsversuch beim Gespräch zwischen Scholz und Erdogan eine Rolle. Der Kanzler hatte in Versailles jedenfalls gesagt, dass er die Ergebnisse der Schröder-Reise bei den eigenen Vermittlungsbemühungen berücksichtigen wolle.
Fünfter Antrittsbesuch außerhalb der EU
Für Scholz ist die Türkei der fünfte Antrittsbesuch in einem Land außerhalb der Europäischen Union seit seiner Vereidigung vor gut drei Monaten. Zuvor war er in den USA, in der Ukraine, in Russland und in Israel.
Der Ukraine-Krieg wird wohl wenig Raum für andere Themen in den Gesprächen zwischen Scholz und Erdogan lassen. Die deutsch-türkischen Beziehungen haben sich nach einem tiefen Zerwürfnis 2017, zu dem es unter anderem wegen der Inhaftierung deutscher Staatsbürger kam, zuletzt wieder etwas stabilisiert. Das Verhältnis der beiden Nato-Partner ist aber weiterhin alles andere als spannungsfrei.
Spannungen mit der Türkei bleiben
Zuletzt kam es im Oktober 2021 zu einem Eklat, als der deutsche und neun weiteren Botschafter die Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala forderten. Erdogan drohte den Diplomaten daraufhin mit Ausweisung.
Deutschland und die EU sind etwa über das Flüchtlingsabkommen von 2016 auf Ankara als Partner angewiesen. Aus Sicht von Kritikern geht das auf Kosten der Thematisierung von Menschenrechtsverstößen im Land.
© dpa-infocom, dpa:220314-99-509404/4