Hannover/Moskau (dpa)

Sanktionierter Oligarch überträgt Tui-Anteile an Ehefrau

Jan Petermann, dpa
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Von Jan Petermann, dpa
| 18.03.2022 17:21 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Tui hält sich mit kritischen Aussagen in Richtung des schwerreichen Russen bislang zurück. Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Tui hält sich mit kritischen Aussagen in Richtung des schwerreichen Russen bislang zurück. Foto: Moritz Frankenberg/dpa
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Bleibt das größte Einzelpaket an Tui trotz Sanktionen der EU „in der Familie“? Nach wochenlangem Verwirrspiel ist jetzt klar: Die meisten Anteile wandern von Alexej Mordaschow zu Marina Mordaschowa.

Auch nach dem formalen Rückzug des von der EU sanktionierten Oligarchen Alexej Mordaschow bleibt die Kontrolle über einen Großteil der Tui-Stimmrechte wohl in dessen engstem Umfeld.

Wie nun bekannt wurde, spielt Marina Mordaschowa - Berichten und Konzerninformationen zufolge die aktuelle Ehefrau des langjährigen Hauptaktionärs - dabei eine Schlüsselrolle. In einer Mitteilung des weltgrößten Reiseanbieters an die Finanzmärkte wird sie zusammen mit dem Mordaschow-Unternehmen Unifirm genannt. Hinter Unifirm steht eine Firma namens Ondero, deren Eigentümerschaft wochenlang unbekannt war. Nun steht fest: Mordaschowa ist „kontrollierende Gesellschafterin“.

Behörden prüfen Rechtmäßigkeit

Das Bundeswirtschaftsministerium prüft nach Angaben von Tui, ob es bei den komplizierten Umschichtungen mit rechten Dingen zuging. Allgemein steht der Verdacht im Raum, Mordaschow könnte durch die Übertragung versuchen, sich den Sanktionen zu entziehen. Sein Tui-Vermögen soll wegen des schwebenden Untersuchungsverfahrens nach dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz gesperrt sein, hieß es aus der Konzernzentrale in Hannover. Das Ressort von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte hierzu zunächst keine Stellung nehmen.

Tui wusste zuletzt selbst nicht, wer fast ein Drittel der bisherigen Stimmrechte verwaltet. Der Unifirm und Mordaschowa zugeordnete Anteil wird in der jüngsten Mitteilung jetzt mit 29,87 Prozent angegeben, als Datum der Transaktion taucht der 28. Februar auf. Exakt am Ende des vergangenen Monats erließ die Europäische Union wegen des Ukraine-Kriegs Strafmaßnahmen gegen zahlreiche reiche Geschäftsleute, denen eine Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen wird. Auch Mordaschow steht auf dieser Sanktionsliste.

Verschleiertes Manöver

Erst in den Tagen danach wurden Konturen des verschleierten Manövers sichtbar. Von den 34 Prozent, die Mordaschow über seine Firma Unifirm im EU-Land Zypern gehalten hatte, übertrug er 4,1 Prozent zu seiner russischen Severgroup. Die restlichen, über Tochtergesellschaften gehaltenen Anteile an Unifirm verkaufte er an die Ondero Limited.

Diese - wie man jetzt weiß von Marina Mordaschowa gesteuerte - Firma hat ihren Sitz auf den britischen Jungferninseln. Weil das Paket ganz knapp unter der 30-Prozent-Schwelle bei Tui blieb, musste Ondero nach deutschem Aktienrecht zudem kein förmliches Übernahmeangebot für den Konzern abgeben und keine Details seiner Eigentümerstruktur nennen.

Firmensitz auf den Jungferninseln

Infolge des über mehrere Ecken laufenden Deals schnellte der durch Ondero gehaltene Stimmrechtsanteil von Unifirm an Tui von zunächst null Prozent auf fast 30 Prozent hoch. Die Jungferninseln gelten als Steueroase, in der viele Briefkastenfirmen sitzen. Nachträglich wurde Tui in einer korrigierten Mitteilung auch darüber informiert, dass Marina Mordaschowa bereits am 28. Februar Gesellschafterin von Ondero war.

An reinen Zufall ist mit Blick auf den Zeitpunkt und die Art dieser Neuordnungen im Hintergrund schwer zu glauben. Man hätte sich bei allen Verdiensten, die Mordaschow im Konzern auch habe, gewünscht, früher über die neuen Eigentumsverhältnisse Bescheid zu bekommen, sagt ein Insider. Wer weiß, in welche Hände die Stimmrechte sonst noch hätten gelangen können? Tui wurde vor allem dank staatlicher Milliardenhilfen durch die Corona-Krise gerettet, Ex-Großeigner Mordaschow trug die privaten Kapitalerhöhungen aber ebenso mit.

Mordaschow gibt sich ahnungslos

Als er von seiner Nennung auf der Sanktionsliste erfuhr, verteidigte sich der Stahlmagnat zunächst. Nach Auffassung der EU „profitiert (er) von seinen Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern“ - etwa über Beteiligungen an Kreml-nahen Banken oder Medienhäusern. Mordaschow ließ der Deutschen Presse-Agentur über eine Sprecherin hingegen mitteilen: „Ich kann nicht verstehen, wie diese Sanktionen gegen mich zu der Beilegung des schrecklichen Konflikts in der Ukraine beitragen sollen.“ Er engagiere sich „seit sehr langer Zeit für die Entwicklung der wirtschaftlichen, kulturellen und humanitären Zusammenarbeit zwischen vielen europäischen Ländern“.

Auch habe er nie eine besondere Nähe zur Politik gespürt. „Ich habe mit dem Entstehen der derzeitigen geopolitischen Spannungen absolut nichts zu tun“, erklärte Mordaschow. Den Aufsichtsrat von Tui verließ er allerdings rasch, seine Luxusjacht „Lady M“ wurde von italienischen Behörden im Hafen der Stadt Imperia sichergestellt.

Tui hält sich zurück

Der Reisekonzern hielt sich mit kritischen Aussagen in Richtung des schwerreichen Russen zuerst zurück, das laufende Geschäft habe nichts mit Beteiligungsfragen zu tun. Wenig später entzog Tui dem ebenfalls von Mordaschows Familie kontrollierten, früheren Ableger Tui Russia die Nutzung der Markenrechte. Marina Mordaschowa trat laut verschiedenen Medienberichten schon bei anderen Anteilsänderungen in Erscheinung.

Wer das große Paket an der Tui AG selbst besitzt, blieb länger im Dunkeln. Mutmaßungen, es könnte sich bei den Verschiebungen um eine Taktik des Oligarchen handeln, seine Anteile indirekt weiter zu halten, jedoch von Vertrauten managen zu lassen, scheinen sich nun zu erhärten. Solange Prüfungen laufen, könne Mordaschowa die Stimmrechte nicht wahrnehmen, hieß es in Hannover. Nach wie vor verwirrend aber: Sie sei Tui „nicht als nahe stehende Person“ gemeldet.

© dpa-infocom, dpa:220318-99-579075/2

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