Los Angeles (dpa)
Staub und Wind in „Dune“: Zweiter Oscar für Gerd Nefzer?
Einen Oscar hat er schon, doch Gerd Nefzer könnte einen weiteren dazugewinnen. Der Spezialeffekte-Künstler ist für das Science-Fiction-Epos „Dune“ im Rennen.
Der zweite Oscar ist für Gerd Nefzer zum Greifen nah: Mitte März hatte der Spezialeffekte-Künstler aus Schwäbisch Hall in der Londoner Royal Albert Hall seinen Bafta-Sieg gefeiert.
Das Science-Fiction-Epos „Dune“ von Regisseur Denis Villeneuve gewann dort fünf der Britischen Filmpreise, darunter auch für Nefzer und seine Hollywood-Kollegen in der Sparte „Visuelle Effekte“. Doch noch etwas brachte er mit zurück. „Wir sind vorige Woche positiv auf Corona getestet worden“, sagte der Schwabe am Mittwoch im Zoom-Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Corona auskuriert
Bis zuletzt stand die Reise zu den Oscars wegen der Corona-Infektion auf der Kippe - aber nun ist Nefzer aber doch persönlich dabei. Nach einem negativen Test am Freitag sei er am Samstag noch schnell von Deutschland nach Los Angeles geflogen, teilte der gebürtige Schwabe nach seiner Ankunft in Kalifornien der Deutschen Presse-Agentur mit. Er habe eigentlich nicht mehr daran geglaubt, dass es noch klappen würde. Die Filmakademie hat für Nominierte und Gäste der Show strikte Corona-Auflagen.
Nach vielen Auszeichnungen für die „Dune“-Effekte in dieser Preissaison hat die Filmbranche Nefzer und seine Kollegen zum Oscar-Favoriten erklärt. Nur er selbst nicht. „Da bin ich eher Pessimist und vorsichtig, damit man nicht in ein Loch fällt, wenn etwa „James Bond“ den Oscar gewinnt“, sagt Nefzer augenzwinkernd. Die Effekte-Macher von Filmen wie „Keine Zeit zu sterben“ oder „Spider-Man: No Way Home“ sind ebenfalls nominiert.
Auch schon der erste Oscar sei „völlig undenkbar“ gewesen. 2018 hatten Nefzer und drei Kollegen mit ihrer Arbeit an „Blade Runner 2049“, auch unter der Regie von Villeneuve, den Favoriten „Planet der Affen: Survival“ ausgestochen. Damals stand er kopfschüttelnd auf der Bühne und strahlte vor einem Millionenpublikum: „Danke schön, Germany. Thank you. Great“. Beim ersten Mal sei alles so neu und aufregend gewesen, jetzt wäre er „ein klein bisschen lockerer“ und könnte die Oscar-Gala entspannter angehen.
Experte für Sand und Staub
War er bei „Blade Runner 2049“ für Nebel, Regen und Schnee zuständig, so ist er nun der Experte für Sandstürme, Staub und Wind. Das bildgewaltige Science-Fiction-Epos spielt auf dem Wüstenplaneten Arrakis, auf dem gute und böse Mächte um die wertvolle Substanz Spice kämpfen. Gedreht wurde in der Wüste in Jordanien und in Studios in Budapest.
Nefzer erzählt begeistert von „ziemlich aufwendigen“ Spezialeffekten, die er mit einer Crew von über 50 Leuten, nicht am Computer, sondern real am Drehort mit kniffliger Handarbeit bewerkstelligen musste. Sie hätten in der Wüste eigens eine Straße gebaut, um einen 400 Tonnen schweren Kran dorthin zu schaffen. Daran wurde etwa ein Ornithopter, ein libellenartiges Fluggerät, aufgehängt und mit Wind und Staub beschossen. Für eine Szene mit riesigen brennenden Palmen tüftelten sie wochenlang mit aus dünnem Stahlblech gelaserten Palmenwedeln, die in Brand gesteckt wurden.
Für eine Studioszene, in der ein Fluggerät in eine Düne crasht, experimentierte Nefzer mit großen Mengen von Dinkelspelzen, also den Hüllen von Getreidekörnern. Auch ein Traktor kam zum Einsatz, um das Gerät durch den „Sand“ zu ziehen. Dabei habe ihm sein alter Beruf geholfen, witzelt Nefzer, ein gelernter Agrartechniker.
Seit über 30 Jahren ist er im Filmgeschäft. Gegründet wurde die Firma von seinem Schwiegervater Karl Nefzer 1968 als Verleih von Filmautos und anderen Requisiten. In den 1980er Jahren kamen Special Effects dazu, nach vielen Fernsehserien dann Aufträge für Filme wie „Inglourious Basterds“, „Die Tribute von Panem“ oder „Bridge of Spies: Der Unterhändler“. „Wir sind immer noch ein klassischer Familienbetrieb, mit meinem Schwiegervater, meinem Schwager und mir“, betont der zweifache Vater. Auch seine Tochter und sein Sohn, beides Studenten, würden gelegentlich mithelfen.
Zehn Oscars-Nominierungen für „Dune“
„Dune“ ist für zehn Oscars nominiert, darunter als „bester Film“, in vielen Technik-Sparten und für die Musik des deutschen Komponisten Hans Zimmer. Als eines der über 9000 Mitglieder der Film-Akademie darf Nefzer auch über die Oscar-Gewinner mit abstimmen. Natürlich hofft er auf Preise für „Dune“, aber Nefzer begeistert sich für viele nominierte Filme, darunter die Tragikomödie „Coda“ mit dem gehörlosen US-Schauspieler Troy Kotsur. Mit ihm habe er in London ein tolles Treffen gehabt, erzählt Nefzer. „Ich drücke ihm die Daumen“.
Für seinen Oscar (oder vielleicht bald zwei) müsste er noch einen guten Platz finden. Noch ist er in einen Tresor „eingesperrt“, lacht Nefzer. Er sei so viel unterwegs. Gewöhnlich pendelt er zwischen dem Firmensitz in Schwäbisch Hall, der Dependance auf dem Gelände des Potsdamer Studios Babelsberg und Filmsets in aller Welt. Der Oscar-Gewinn habe ihn wenig verändert. Er sei ein bodenständiger Mensch, doch „als bescheidener Schwabe kann man doch ab und zu mit stolzgeschwellter Brust durch die Welt laufen“, witzelt der Oscar-Anwärter.
Nach dem möglichen zweiten Sieg bliebe nicht viel Zeit zum Ausruhen. Im April fangen die Dreharbeiten für die „Dune“-Fortsetzung an. „Ich freue mich riesig auf den zweiten Teil. Das wird wieder viel Arbeit und auch anstrengend sein, aber wir haben ein sehr schönes Drehbuch“, sagt Nefzer. Und grinst: „Aber mehr darf ich nicht sagen.“
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