Berlin (dpa)
Studie: Fachkräftemangel setzt Start-ups immer mehr zu
Für Gründer und Wachstumsfirmen wird es schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Der Fachkräftemangel dämpft schon das Wachstum bei einigen Start-ups. Die Branche dringt auf weniger Bürokratie.
Ob IT-Spezialisten oder Marketing-Experten - die Suche nach Fachkräften fällt Start-ups in Deutschland laut einer neuen Studie zunehmend schwer.
In einer Umfrage des Bundesverbands Deutsche Start-ups gab gut jede zweite der jungen Firmen an, der Mangel an qualifizierten Leuten sei ein großes oder sehr großes Problem. Bei Start-ups mit mindestens 25 Beschäftigten waren es sogar 85 Prozent. Die deutliche Mehrzahl aller Firmen (68 Prozent) meint, das Problem des Fachkräftemangels sei innerhalb der vergangenen zwölf Monate gewachsen, heißt es in der Umfrage unter knapp 300 Start-ups.
Demnach ist die Lücke bei gut ausgebildeten Leuten, etwa für IT, Marketing, Verkauf und Buchhaltung, die größte Hürde für das Geschäft noch vor Finanzierungsengpässen. Fast 90 Prozent der Start-ups haben der Umfrage zufolge offene Stellen. Allein bei den Studienteilnehmern seien es gut 1900, hieß es. Fehlende Fachkräfte bremsen bei rund der Hälfte der Firmen das Wachstum, knapp 40 Prozent fürchten dadurch eine schwindende Innovationsfähigkeit. Als Ausweg bietet knapp die Hälfte der Start-ups mehr flexibles und mobiles Arbeiten an oder rekrutiert verstärkt im Ausland - gerade größere Firmen.
Langes Warten auf Visa
„Der Mangel an Talenten bremst uns in Deutschland massiv - wir müssen schleunigst reagieren“, sagte Christian Miele, Vorstandsvorsitzender des Start-up-Verbands. Es brauche ein spezielles Fachkräfte-Visum, das die spezifischen Besonderheiten von Gründerinnen und Gründern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Start-ups berücksichtige. Portugal, Spanien und sowie die baltischen Länder seien hier besser aufgestellt. Während in Deutschland die Visavergabe im Schnitt drei Monate dauere und sich bei Fachkräften aus Indien oder Afrika oft bis zu acht Monate hinziehe, bräuchten andere EU-Staaten zwischen 10 und 30 Tagen.
„Wir stellen zu 70 Prozent im Ausland ein und bekommen unsere Positionen auch besetzt. Allerdings ist Fachkräftemangel eines der größten Risiken für das Wachstum und das Innovationstempo“, berichtete Axel Hefer, Vorstandschef der Hotel-Plattform Trivago.
Die Hürden bei der Rekrutierung im Ausland seien oft zu hoch, meint auch Magdalena Oehl, stellvertretende Vorsitzende des Start-up-Verbands und Gründerin des Start-ups Talentrocket. Während der Aufwand innerhalb der EU häufig schon groß sei, machten bürokratische Hürden, die Anerkennung von Qualifikationen und lange Verfahren die Rekrutierung im außereuropäischen Ausland „zur Sisyphusaufgabe“. Eine pragmatischere Anerkennung von Qualifikationen etwa könne helfen.
Nachteile der Branche bei der Rekrutierung
Start-ups beschäftigten dem Branchenverband zufolge rund 415.000 Menschen in Deutschland. Die Szene gilt als Innovationstreiber für die Wirtschaft und ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. 2021 erhielten Start-ups laut der Prüfungsgesellschaft EY die Rekordsumme von 17,4 Milliarden Euro Risikokapital. Aufstrebende Firmen wie Lieferdienste oder Smartphone-Banken bekamen hohe dreistellige Millionenbeträge von Investoren. Deutschland liegt aber beim Wagniskapital weiter hinter Ländern wie den USA zurück.
Fachkräftemangel ist ein weit verbreitetes Problem in der deutschen Wirtschaft, die Gründerbranche hat aber einen strukturellen Nachteil: Verglichen mit Konzernen oder dem Mittelstand sind Jobs dort unsicherer und das Gehalt ist tendenziell niedriger. Allerdings: Sobald Start-ups mit Wagniskapital von Investoren finanziert seien, könnten sie „ordentliche Gehälter stemmen“, betonte ein Verbandssprecher. Vor allem bei den größeren Start-ups werde konkurrenzfähig gezahlt, was sich bei der Rekrutierung von Personal aus Branchen mit hohen Gehältern wie Banken und Beratung zeige.
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