Helsinki (dpa)
„Stehen fest an Finnlands Seite“ - Steinmeier in Helsinki
Die Zeitenwende, von der in Berlin wegen des Ukraine-Kriegs die Rede ist, setzt auch in Helsinki ein. Soll man Nato-Mitglied werden? Bei einem Besuch hat der Bundespräsident eine klare Botschaft im Gepäck.
Es ist ein Solidaritätsbesuch bei einem durch den Ukraine-Krieg stark beunruhigten Freund: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Finnland, einem direkten Nachbarn Russlands, die volle Unterstützung Deutschlands zugesagt - auch für eine eventuelle Aufnahme in die Nato.
„Meine Botschaft, mit der ich komme, ist ganz klar: Wir stehen fest an Finnlands Seite“, sagte er am Freitag bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö in Helsinki.
Mit Blick auf die in Finnland lebhaft diskutierte Aufgabe seiner Neutralität und einem Eintritt in das westliche Verteidigungsbündnis versicherte Steinmeier seinem Freund Niinistö: „Welche Entscheidung Finnland auch immer fällt: Ihr könnt jedenfalls sicher sein über deutschen Rückhalt.“
Steinmeier verurteilte den russischen Angriffskriege in der Ukraine erneut scharf. „Russland allein ist verantwortlich für das barbarische Blutvergießen in der Ukraine. Und Russland muss es beenden.“ An Kreml-Chef Wladimir Putin appellierte er: Präsident, stoppen Sie diesen Wahnsinn!“ Gastgeber Niinistö äußerte sich wortgleich. Er betonte, der Angriff auf die Ukraine führe zu einer neuen Sichtweise über Sicherheit. „Das war ein Schock für uns alle.“
Zehn Minuten in der Ukraine
Steinmeier hielt sich einen Tag in Finnland auf - und zehn Minuten lang quasi auch in der Ukraine. Zusammen mit Niinistö lauschte er im finnischen Parlament einer Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieser nannte in seiner Begrüßung zwar auch den Bundespräsidenten, ging dann aber nicht weiter auf ihn und die vielfach als zögerlich kritisierte Haltung Deutschlands etwa bei Rüstungslieferungen ein. Stattdessen lobte er die Unterstützung Finnlands und ermuntert es, hier noch mehr Führung in der EU zu zeigen. Und zwar auch bei der Lieferung von Waffen, die sein Land brauche - und die einige EU-Partner hätten.
Für Steinmeier war es der erste Kontakt dieser Art mit Selenskyi. Als dieser im März per Video im Bundestag sprach, besuchte Steinmeier einen Steinwurf entfernt am Hauptbahnhof ukrainische Flüchtlinge. Möglicherweise wird es in absehbarer Zeit aber ein direktes Treffen geben. Steinmeier erwägt wohl eine Reise nach Kiew. In nur wenigen Hauptstädten der Welt sei er so oft gewesen wie dort, sagte er. „Selbstverständlich denke ich auch darüber nach, wann der richtige Zeitpunkt ist für meinen nächsten Besuch in Kiew.“
Kritischer Blick auf Deutschland
Natürlich weiß Steinmeier, wie kritisch die Ukraine gerade auf Deutschland blickt. Deren Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hat ihn dies in den vergangenen Wochen immer wieder auf drastische Weise wissen lassen. Als wolle er vor Selenskyis Video-Ansprache schon mal vorbauen, sagte Steinmeier in der Pressekonferenz mit Niinistö: „Wir beide haben großen Respekt vor dem tapferen Kampf der Ukraine, angeführt von einem mutigen Präsidenten.“ Wer Steinmeier kennt, weiß, dass dies ernst gemeint und nicht etwa nur ein Kompliment war.
Der Besuch in Finnland kam nicht von ungefähr. Es ist das EU-Land mit der mit Abstand längsten Grenze zu Russland - 1300 Kilometer. Es ist kein Nato-Mitglied wie das benachbarte Schweden, aber enger Partner des Bündnisses. Der russische Einmarsch in beiden Ländern zu einer umfassenden Debatte über einen möglichen Beitritt zur Nato geführt.
Zu Steinmeiers Programm gehörte auch ein Besuch im Europäischen Exzellenzzentrum für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen - eine von 31 Staaten getragene Einrichtung, die seit 2017 Analyse und Beratung zur Abwehr beispielsweise von Cyber-Attacken leistet. Wie real diese Gefahr ist, zeigte sich auch bei Steinmeiers Besuch: Während der Rede Selenskyjs war die Webseite des finnischen Verteidigungsministeriums einem mutmaßlichen Cyber-Angriff ausgesetzt. Das Ministerium schloss die Seite zunächst und leitete Untersuchungen ein, wie es mitteilte.
© dpa-infocom, dpa:220408-99-843242/10